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Hier können Sie Probelesen in
einem Buch des Autors Sven Westerberg. |
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In
einer verschneiten Nacht
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Broschiert
334 Seiten
List Tb. Verlag
Erscheinungsdatum:
Januar 2004
ISBN: 3548680585
Deutsche Erstausgabe
Originaltitel:
"Guds fruktansvärda frånvaro"
Übersetzung:
Nike Karen Müller |
Kurzbeschreibung
Als ihre Kollegin und engste Freundin Anne-Marie
spurlos verschwindet, übernimmt die Gerichtspsychologin Hanna
Skogholm deren letzten Fall, den jungen schizophrenen Robert,
der seinen Professor Malmström erschossen haben soll. Robert
wurde am Tatort mit der Waffe in der Hand aufgefunden, redete
wirres Zeug und stritt die Tat nicht ab kaum verwunderlich,
dass ihn jeder für den Täter hält. Doch je länger
Hanna mit dem jungen Mann arbeitet, umso größer werden
ihre Zweifel an dessen Schuld. Denn als Psychologin verlässt
sie sich auf das, was sie die innere Logik der Psychose
nennt: So verrückt die Phantasiewelt eines schizophrenen
Patienten für die Außenwelt auch erscheinen mag, sie
gehorcht doch ihrer eigenen, stringenten Logik. Und in Roberts
paranoides Universum passt der Mord an Malmström überhaupt
nicht. Mit dieser These stößt Hanna bei der Polizei
allerdings auf wenig Gegenliebe. Sie beginnt, auf eigene Faust
Nachforschungen anzustellen und kommt Schritt für Schritt
alten Liebesgeschichten und gut gehüteten Geheimnissen um
eine entgleiste Studentenparty auf die Spur, in die Professor
Malmström verwickelt war. Diese Erkenntnisse, die ihre Freundin
und Kollegin Anne-Marie schließlich das Leben gekostet haben,
bringen auch Hanna zum Schluss in höchste Gefahr. Die Protagonistin
Hanna Skogholm ist eine scharfsinnige, warmherzige, wenn auch
etwas spröde Frau ein wohltuend zurückhaltender
Charakter, der einem im Laufe des Romans ans Herz wächst.
Außerdem strickt Westerberg mit dieser Psychologin als Ermittlerin
manches Krimigesetz völlig um: Denn der psychologische Ansatz,
der sonst meist nur das Motiv des Verbrechers liefern darf, wird
hier auf einmal zum Werkzeug des Ermittlers und eröffnet
damit ganz neue Perspektiven.
Weitere Informationen (Ext. Link) |
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Leseprobe
PrologNichts ließ auf etwas Besonderes schließen, weder auf ein
Drama noch auf ein unbedeutendes Ereignis.
Dunkelheit senkte sich herab, der Wind wehte Schnee auf den kalten Erdboden
und man hoffte auf eine gewöhnliche Winternacht mit ruhigem Schlaf.
Starker Schneefall und Sturm machten einige der schmaleren Verkehrswege
im Sävedalen nur schwer passierbar. Besonders ein paar kurvenreiche
und steile Straßen jenseits des Göteborgsvägen waren gefährlich,
aber die halb leeren Busse kamen im Abendverkehr gut voran. Das galt auch
für die Linienbusse, die im Osten vor dem Krankenhaus hielten und
anschließend durch die Mietshaussiedlungen in Ljungkullen und Oxled
fuhren. Für gewöhnlich hatten die Busse Verspätung.
Der eine oder andere Fahrgast fluchte sicher über das Wetter, doch
die Kinder hingen an den Fensterscheiben, freuten sich über den Schnee
und hofften nach dem feuchten Tauwetter zwischen Weihnachten und Neujahr
auf Schlittenpartien und Snowboardfahrten.
Als Åsa Bäcklund merkte, dass sie vor dem Fernseher eingenickt
war, war der Film schon lange zu Ende. Ihr fiel lediglich auf, dass er
vorbei war, doch welches Programm stattdessen lief, registrierte sie nicht
mehr, bevor sie den Apparat ausschaltete.
Es war unwichtig. Der Film hatte sie ohnehin nicht interessiert.
Nichts ließ auf etwas Besonderes schließen.
Über den Bücherregalen brannten die Lampen und das Papier der
Schokoladenpralinen lag an derselben Stelle auf dem Teppich, wo sie es
hatte fallen lassen. Draußen heulte der Sturm mindestens genauso
stark wie vorhin, als sie sich hingelegt hatte, um den Film anzusehen.
Sie erhob sich vom Sofa, ging ungelenk und schlaftrunken zum Fenster.
Noch immer fiel der Schnee in dichten Flocken und wurde vom Wind auf der
leeren Straße zu hohen Schneewehen aufgetürmt. So, als würde
der Wind mit dem Schnee spielen: Manche Flächen waren wie leer gefegt,
auf anderen stapelte sich die weiße Masse immer höher. Der
Wind, ein wild tobendes Wesen, in der Dunkelheit der Nacht von seinen
Hemmungen befreit.
Sie ging in den Flur hinunter und schaute in den Spiegel, wo sie ein fünfzigjähriges,
etwas rundliches Gesicht anblickte. Ihr hellblondes Haar war nach dem
Nickerchen vor dem Fernseher zerzaust. Die Zimmertür ihres Sohnes
war geschlossen. Bestimmt schlief Claes schon. Sie war stolz auf ihn.
Er kümmerte sich vorbildlich um seine Hausaufgaben, seinen Sport
und sein Asthma. Manchmal überwog der Sport die Hausaufgaben, doch
darüber machte sie sich keine Sorgen.
Sie blieb einen Augenblick lang im Schlafzimmer stehen und betrachtete
das leere Ehebett mit dem geblümten Überwurf. Es war ziemlich
einsam im Haus, wenn ihr Mann nicht da war. Noch einsamer als früher,
seitdem ihre Tochter mit ihrem Studium in Lund begonnen hatte. Aber David
war nicht so häufig außer Haus. Gerade nahm er an einer Konferenz
über Finanzrecht in Uppsala teil, und schon morgen würde sie
ihn wieder hier haben. Die Topfblumen auf der Fensterbank sahen verwelkt
aus, und Åsa beschloss, sie noch zu gießen, obwohl sie am
liebsten sofort unter die Bettdecke gekrochen wäre.
Buchtipp |
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Seit zehn Jahren wohnten sie schon in diesem Haus und sie fühlte
sich wohl darin. Die Gegend war ruhig und das Grundstück grenzte
an einen Wald, in dem sie und David lange Sonntagsspaziergänge unternahmen.
Sie konnte sich wirklich glücklich schätzen. Haus, Familie,
Kinder und keine schlimmen Krankheiten.
Als Åsa in der Küche Wasser vom Hahn in die gelbe Kanne laufen
ließ, hörte sie einen lauten Knall, und als sie den Wasserhahn
zudrehte, einen weiteren Knall.
Sie vermochte sich nicht zu erklären, was das war. Vielleicht waren
es vergessene Silvesterknaller, die jemand in irgendeiner Garage gefunden
hatte.
Durch das Küchenfenster konnte sie ein paar kahle Spiräenbüsche
sehen, deren entlaubte Zweige in dem eisigen Wind, der den feinkörnigen
Schnee vor sich hertrieb, hin und her schlugen. Nichts war zu erkennen,
was die beiden Geräusche verständlich gemacht hätte.
Claes war nicht aufgewacht. Er schlief wie ein Stein.
Åsa hatte begonnen, die Blumen im Schlafzimmer zu gießen,
als ein weiteres, undefinierbares Geräusch an ihr Ohr drang. Es klang
wie ein geiles Rufen, ein spitzer Schrei, und kam wie die beiden anderen
Laute irgendwo von draußen. Im Wald gab es Käuzchen, die sie
schon öfters hatte schreien und rufen hören. Es könnte
ein Käuzchen sein, doch die hielten sich sonst nicht so nah am Haus
auf. Und eigentlich hörte sich ein Käuzchen auch anders an.
Beklommen trat sie ans Schlafzimmerfenster, das zum Nachbarhaus zeigte.
Dort waren die Fenster dunkel, aber die Außenbeleuchtung brannte.
Das war normal. Sonst sah Åsa nur Schneeverwehungen und eine große
Tanne, deren Krone im Sturm nickte. Lange blickte sie auf die Tanne und
versuchte, ihrer Unruhe Herr zu werden. Sie dachte kurz an morgen. An
all die alltäglichen Verrichtungen, die den Tag ausfüllen würden,
an Telefonate, die sie führen würde, an das Wetter, das besser
werden sollte. David trank bestimmt gerade Grog mit ein paar Kollegen,
die er in Uppsala getroffen hatte. Er nahm wirklich selten an Konferenzen
teil. Schließlich verließ sie das Schlafzimmer und betrat
das Wohnzimmer, dessen Fenster zum Nachbarhaus auf der anderen Seite zeigten.
Sie sah die Reste des geschmückten Weihnachtsbaumes, den die Nachbarn
in den Garten geworfen hatten, und dass in dem Haus nebenan Licht brannte.
Doch dort war niemand zu sehen, weder hinter den Fenstern noch im Garten.
Seltsamerweise stand die Verandatür offen. Sie bewegte sich im Wind
und schlug gegen die Wand.
Åsa blieb stehen und blickte in das Schneetreiben. Die Tür
blieb offen, die Bewegungen machten ihr Angst. Angst, weil die erneut
gegen die Wand schlagende Tür bedeutete, dass in dem erleuchteten
Haus etwas nicht in Ordnung war.
Ohne erklären zu können, weshalb, wusste sie, dass die Geräusche,
die sie gehört hatte, aus dem Haus mit der offenen Verandatür
gekommen waren.
Irgendetwas stimmte nicht.
Irgendetwas war nicht normal. Warum nur war David nicht zu Hause?
Die Geräusche hatten mit dem Nachbarhaus zu tun. Mit dem erleuchteten
Haus, in dem niemand zu sehen war. Mit dem erleuchteten Haus, das plötzlich
einem Geisterhaus glich, wie es scheinbar verlassen dort im Schneesturm
lag. Den neuen Besitzer kannte sie nicht. Er hieß Malmström,
so viel wusste sie, und er lehrte an der Universität. Das war alles.
Ein paar Mal hatte sie ihm grüßend zugenickt, in der relativ
kurzen Zeit, die verstrichen war, seitdem er eingezogen war, aber sie
hatte nie mit ihm gesprochen. Er bewohnte das Haus allein, indessen hatte
sie schon öfters eine Frau dort gesehen. Doch in das Privatleben
ihrer Nachbarn mischte sie sich grundsätzlich nie ein.
Åsa zog sich im Flur den blauen Wintermantel mit der pelzgefütterten
Kapuze an und schlüpfte in ihre Stiefeletten. Am liebsten wäre
sie einfach zu Bett gegangen, aber sie spürte, wie ihr Pflichtgefühl
sie hinaustrieb, um nachzusehen, was in dem Nachbarhaus passierte. Oder
passiert war. Sie hatte Angst und verfluchte einen Moment lang ihre Erziehung,
die den Grundstein für den inneren Zwang, anderen zu helfen, gelegt
hatte.
Claes sollte ruhig weiterschlafen. Sie hielt es nicht für notwendig,
ihn zu wecken. Er brauchte seinen Schlaf und musste außerdem morgen
zur Schule.
Sie trat auf die Treppe und zog vorsichtig die Tür hinter sich zu,
ohne sie abzuschließen. Die Schneeflocken kühlten ihr Gesicht,
als sie die Straße überquerte und auf das erleuchtete Haus
zuging. Auf dem Weg, der zur Vordertreppe führte, waren keine Fußspuren
im Schnee zu sehen. Das hatte jedoch nicht viel zu sagen. Wind und Schnee
brauchten nur wenige Minuten, um alle Spuren unkenntlich zu machen.
Åsa schritt über den schneebedeckten Rasen und ging an einem
Obstbaum vorbei, der vergangenen Sommer gepflanzt worden war. Als sie
die Hausecke erreichte, blieb sie einen Augenblick lang stehen und blickte
auf die Veranda. Alles war unverändert.
Die Verandatür stand offen, die Schneedecke auf den Steinplatten
der Terrasse war unberührt. Der Schnee lag ungleichmäßig
verteilt, mitten auf der Terrasse war eine Stelle vom Wind blank geweht.
Vorsichtig, um nicht auszugleiten, stieg Åsa die schmale Treppe
hinauf und blieb neben der Verandatür stehen. Langsam beugte sie
sich vor, um in das Zimmer hineinschauen zu können. Sie fürchtete
sich. Fürchtete sich vor dem, was sie dort sehen könnte, aber
auch vor dem Wind, vor dem dunklen Wald, der ein Stück weit entfernt
war, und vor dem ganzen Abend, der sich so plötzlich verändert
hatte.
Als sie sich vorbeugte, fiel ihr kalter Schnee in den Nacken. Warum hatte
sie die Kapuze nicht aufgesetzt? Allmählich konnte sie den Raum erkennen.
Im Türbereich lag geschmolzener Schnee auf dem Parkett. Sie sah Regale,
Bilder und eine Sitzgruppe, ohne dass ihr Gehirn all das registrierte.
Es registrierte lediglich den furchtbaren Anblick des am Boden liegenden
Körpers. Unnatürlich reglos lag er da, das Gesicht zur Wand
gedreht. Sie entdeckte auch dunkles Blut auf dem Fußboden, bevor
sie eine zweite Person im Zimmer wahrnahm. Vor der hinteren Wand, neben
dem Sicherungskasten, saß ein junger Mann, vornübergebeugt,
mit angezogenen Beinen, den Kopf zwischen den Armen. Seine rechte Hand
hielt eine Pistole. Er bewegte sich nicht, und obwohl sein Gesicht zu
Boden zeigte, erkannte sie, wer er war. Kein Zweifel.
Es war Robert Wahlström.
Danke an den List-TB Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis. |
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