Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Buch der Autorin Eva-Marie Liffner.
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Gebundene Ausgabe
220 Seiten
Reclam Leipzig
Erscheinungsdatum:
März 2004
ISBN: 3379008117
Übersetzung:
Gisela Kosubek
Kurzbeschreibung

Die Historikerin Esmé stößt im Institut für Geschichte an der Universität Kopenhagen auf Polizeiakten aus dem Jahr 1938. Sie protokollieren einen niemals aufgeklärten Kriminalfall: Im dünn besiedelten Grenzgebiet zwischen Deutschland und Dänemark wird eine Moorleiche gefunden. Der Fund erinnert an die Historie des Ortes, denn die Gegend war Schauplatz zahlreicher Kriege und erbitterter wechselseitiger Übergriffe der Anwohner. Zwei dänische und ein deutscher Polizist begeben sich auf den schwankenden Grund, um die Identität des Toten zu klären. Wenig später wird der deutsche Ermittler tot in einem Brunnenschacht aufgefunden. Ohne zu zögern macht sich Esmé auf ins Grenzland, das ihr aus der Kindheit vertraut ist, und setzt sich wie ein Spürhund auf die Fährte des Verbrechens. Stück für Stück fügt sie zusammen, was ihre Recherchen ergeben. Die Toten erweisen sich als Verbindungsglieder zwischen Vergangenheit und Gegenwart – und die Spur führt zurück ins Kopenhagener Historische Institut.

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Leseprobe

Mittwoch, den 30.August 1938 im Moor von Frøslev


Wenn ein alter Knochen zerbricht, entsteht ein ganz eigenes Geräusch. Nicht dumpf oder kraftvoll wie der markige Ton bei einem frischen Schweineschenkel oder Schafbein, sondern trocken und scharf, knallend, wie wenn man im Wald auf einen trockenen Zweig tritt. Als es geschah, befand sich der Mann mitten im Moor. Über ihm die blaue Weite des Spätsommerhimmels, hier und da durchbrochen von dünnen weißen Wolkenstreifen, die an den Rändern ausgefranst waren wie verschlissenes Segeltuch. Zuweilen glitten sie vor die Sonne und ließen das Licht gelblich werden. Nur Vögel, Brachvogel und Weihe, waren zu hören, sie flogen tief über dem Sumpfland dahin, beinahe lautlos jetzt, wo der August zu Ende ging. Hin und wieder spürte er den Schatten eines Flügelpaares zwischen sich und der Sonne.

  Eva-Marie Liffner bei schwedenkrimi.de
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Leseprobe
Der Mann hatte methodisch gegraben und sich ab und an ein Weilchen auf dem Spaten ausgeruht. Vom jahrelangen Gebrauch war der Griff weich und glatt wie Haut. Ihm blieb vielleicht noch eine Stunde Arbeit bis zur Mittagspause, das spürte er an seinem Körper. Der platte Torfspaten war durch das, was einst ein Schienbein gewesen war, widerstandslos hindurchgegangen, doch ähnelte der Knochen, dessen Gewebe so viel vom Saft des Moors, seinem humusreichen schlammigen Wasser, aufgesogen hatte, jetzt vornehmlich einem dünnen Ast. Der Mann wollte Torf für den Gutshof in Viberød stechen und hatte bereits gut zwei Quadratmeter in fette schwarze Vierecke zerlegt und sorgfältig auf dem Karren gestapelt. Er legte den Spaten beiseite und beugte sich tief in die Grube. In der Erde lagen noch mehr Überreste, das konnte er erkennen. An dem Knochenstück klebte etwas, das wie grober Stoff aussah, die andere Hälfte führte in die Torfschicht hinein. Der Mann kniete sich auf den Boden. Die Düfte des Moors stiegen ihm in die Nase. Zeit, Wasser, Fäulnis, Vergessen. Gerüche, die einen Geschmack, eine sinnliche Wahrnehmung auf der Zunge hinterließen. Die Vegetation an der Oberfläche des Sumpfes duftete nach Heide, Sonnenwärme und satt nach Spätsommer. Der Mann in der Grube schloss die Augen, benommen von der klebrigen Wärme und den intensiven Gerüchen. Wasser drang aus dem Loch, rieselte und sprudelte wie aus einer unterirdischen Quelle. Der Boden überzog sich mit einem glänzenden öligen Film, in dem sich der Sommerhimmel spiegelte, als befänden sich Wolken und Himmel hier unten in der Erde, wenn auch in anderen, dumpferen Farbtönen. Der Mann öffnete die Augen wieder und blickte aufmerksam umher. Die Landschaft war unverändert. Ein Raubvogel stieß auf seine Beute hinunter, so blitzschnell, dass es schien, als falle er durch die Luft. Das war alles. Vorsichtig begann der Mann den Körper freizulegen. Anfangs nahm er den Spaten zu Hilfe, doch bald sah er sich gezwungen, das Werkzeug beiseite zu legen und mit bloßen Händen zu graben. Er nahm sich Zeit und ging mit einer


Buchtipp
KOMA
Behutsamkeit vor, die er selbst nicht recht verstand. Die Erde unter seinen Fingern war kalt und schwer. Unnachgiebig. Schweiß lief ihm in die Augen. Es strengte an, gebeugt in der Grube zu stehen, und er spürte, wie ihm das Hemd am Körper festklebte. Sein Atem ging schwer und keuchend, als sei er gerannt. Eine Fliege kroch über die Schweißspuren in seinem Gesicht, und irritiert scheuchte er sie weg. Doch die Fliege kam zurück, suchte beharrlich nach einer neuen Stelle, um sich niederzulassen, und fand das Sonderbare, das aus dem Torfboden zu Tage getreten war. Ein zweites Gesicht, dunkelbraun, zu Leder gegerbt von den vielen sinnreich zusammengesetzten Wassern des Moors. Die Gestalt lag zusammengekrümmt, die Beine ans Kinn gezogen wie im Schlaf. Ein Unterschenkel hatte sich aus seinem Halt gelöst und ragte in spitzem Winkel vom Körper weg. Der Mann in der Grube bewegte sich vorsichtig und vermied es tunlichst, Haut, Knochen oder Leder zu berühren. Der Körper war nun fast gänzlich freigelegt. Bislang schien es, als sei er vollständig, er hatte Rumpf, Arme, Beine und Kopf. An der Haut des Schädels hafteten rötliche Locken. Wie seltsam schön diese Haare doch waren. Geradezu leuchtend. Wie durch ein Wunder hatte die Gestalt die ganze Zeit hier gelegen, unangefochten von der Torfdränage, dem Frühjahrshochwasser und den Gängen der Kleintiere unter der Erde. Etwas, das wie ein Ränzel oder ein Tornister aussah, mit Lederbesätzen an den Ecken, lag neben dem Körper. Ob das Behältnis selbst aus Stoff oder Leder bestand, ließ sich unmöglich feststellen, es war von Erde und Wasser durchtränkt. Über die Gestalt streckte sich ein halb vermodertes Stück Tuch. Ein Mantel? Der halb verrottete Stoff hatte sich Rumpf und Beinen wie eine zweite Haut angepasst, vermutlich hatte ihn das Gewicht der Erde geformt. Von Schuhen oder Stiefeln war nichts zu entdecken, denn die Füße fehlten. Beide Unterschenkel waren mit einem sauberen Hieb durchtrennt, als hätte ein Metzger die Axt geführt. Um den schmalen Hals lag eine enge Schlinge, wie sie der Mann benutzte, wenn er Hasen an der Wand des Kalthauses befestigte – Wild, das dort einige Tage abhängen musste, bevor es in den Kochtopf kam. Es verblüffte ihn, wie bekannt ihm der Knoten vorkam und wie viel Elastizität das Strickende noch immer zu besitzen schien. Der Strang war etwa einen Dezimeter vom Hals entfernt abgeschlagen. Vorsichtig befühlte der Mann das Seilende. Diese Tat hier war vor langer Zeit geschehen, das begriff er. Der Körper roch wie das Moor selbst, nach Erde und Wasser, der Mann spürte keinen Unterschied, als er sich ihm bis auf geringen Abstand näherte. Sein Schatten fiel auf das dunkelfarbige Gesicht, und einen Augenblick lang schien es, als verändere der Tote die Miene. Er wirkte müder, leidender, als habe man seine Ruhe gestört, als müsse er sich erneut im Tageslicht quälen. Ein Brachvogel ließ seinen schrillen Klageruf über dem Sumpfland ertönen, gellend schrie er über der von schmalen Stegen durchzogenen Einöde. Der Torfstecher hatte genug. Etwas vom nicht greifbaren Schrecken des Kindes vor Dunkelheit und Nacht packte ihn, obgleich doch lichter Tag war. Er stemmte sich aus der Grube und kroch so rasch wie es seine Kräfte zuließen über den glitschigen Rand. Angst lag plötzlich in der Luft, als hätte der Tote etwas von seinem letzten bewussten Moment an ihn weitergegeben. Mit fahrigen Händen griff der Mann nach dem Spaten und rannte los, als sei der Teufel hinter ihm her. Um ihn herum lag die Moorlandschaft still und reglos wie zuvor.

Danke an den Reclam Leipzig Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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