Mit „Das Trauma“ legen die Schwestern Camilla Grebe und Åsa Träff ihren zweiten Krimi vor. Auch hierin erweisen sich die Autorinnen als als in jeglicher Hinsicht am Genre geschulte Krimischreiber für Fortgeschrittene. Es bleibt noch Potenzial nach oben, doch für das richtige Gefühl von Unbehagen und latentem Bedrohtsein, das gleichzeitig eine Gänsehaut als auch das Bedürfnis nach einem weiteren Krimi, Kategorie „Spannungsroman mit Psychologen-Protagonisten“, schafft, reicht es schon jetzt – insgesamt „gut“ für die Krimi-Musterschülerinnen aus Schweden.
In einer Studie
(Link/Quelle-PDF) von 2004 heißt es, dass 40 Prozent der Frauen in Deutschland seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erlebt haben und 25 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen Gewalt durch aktuelle oder frühere Beziehungspartner erlebt haben – Stichwort „häusliche Gewalt“. Durch Liza Marklund erfahren wir, dass 1997 9.046 Misshandlungen gegen Frauen in Schweden angezeigt wurden und dass jeden zehnten Tag in Schweden eine Frau ermordet wird, für gewöhnlich von einem ihr nahestehendem Mann. Pro Jahr werde desweiteren jede vierte schwedische Frau bedroht oder geschlagen. Nahezu die Hälfte aller schwedischen Frauen werde im Laufe ihres Lebens das ein oder andere Mal von einer ihr nahestehenden Person misshandelt (Quelle: Liza Marklund, Asyl. Den sanna fortsättningen på Gömda. Pirat, 2004: S.399).
Gewalt gegen Frauen
Einen – weiteren – Spannungsroman zu schreiben, der dies zum Thema und Ausgangspunkt für eine Krimihandlung macht, scheint immer noch aktuell: Die Schwestern Camilla Grebe und Åsa Träff, die 2011 mit „Die Therapeutin“ debütierten, jedenfalls spinnen rund um eine Selbsthilfegruppe für geschlagene Frauen den zweiten lesenswerten, spannenden, Gänsehaut erzeugenden Kriminalfall für ihre Protagonistin, die Therapeutin Siri. Zusammen mit ihrer Kollegin und Freundin Aina übernimmt sie die Betreuung besagter Selbsthilfegruppe.
Das ist nicht nur deshalb belastend, weil alle Frauen der Gruppe schreckliche Geschichten von verratener Liebe, Schläge und Erniedrigungen zu erzählen haben, sondern auch weil Siri ihre eigene Gewalterfahrung vom Frühjahr, als sie zur „Jagdbeute“ eines skrupellosen Mörders wurde, noch längst nicht verarbeitet hat. Die Situation wird auch dadurch nicht besser, dass Siri bald wieder viel zu persönlich in die Gewaltgeschichte von einer der Teilnehmerinnen der Gruppe, Kattis, hineingezogen wird. Erneut fühlt Siri sich unterschwellig bedroht und beobachtet, forscht viel zu viel auf eigene Faust nach, begibt sich in Gefahr und ist gleichzeitig, das lassen die Autorinnen den Leser zwischen den Zeilen wissen, zu naiv und leichtgläubig gegenüber einer der Frauen aus der Selbsthilfegruppe. Lebensgefährlich wird es, als einer der misshandelnden Männer eines Abends bei einer Therapiesitzung der Gruppe auftaucht und eine Frau erschießt. Bald darauf ist auch die fünfjährige Tilde verschwunden, die unter dem Küchentisch versteckt mit ansehen musste, wie ihre Mutter bestialisch zu Tode getreten wurde. Es gibt Spuren, die zur Selbsthilfegruppe beziehungsweise einem der misshandelnden Männer als Täter führen – Hier verknüpfen Grebe und Träff zwei bis dahin parallele Erzählstränge gekonnt miteinander. Am Ende steht eine nervenaufreibende Suche nach der kleinen Tilde, ihrem Entführer und dem Mörder ihrer Mutter, und die Erkenntnis, dass auch in Schweden die sozialen Dienste, Jugendämter, Kinderärzte, Schulpsychologen und Pädagogen versagen können.
Auf den Spuren Karin Fossums
Das alles sowie Siris kompliziertes Privatleben bringen die Autorinnen auf fulminanten 420 Seiten perfekt, als hätten sie nie etwas anderes getan, als derart versiert Krimis zu schreiben, zu Papier. Doch damit nicht genug. Wie schon in „Die Therapeutin“ zeugt vor allem der Schluss von Grebes und Träffs Krimikönnen und –wissen. In Anlehnung an Karin Fossum, der Meisterin der zweideutigen, immer einen Hauch Zweifel lassenden Romanschlüsse, kreieren auch die Schwestern ein wenn auch keinen ungeklärten Rest zurücklassendes Ende, so aber doch eins, das an Karin Fossum und anderen Großen des Genre geschult ist. Hier ist noch Potenzial nach oben, doch für das richtige Gefühl von Unbehagen und latentem Bedrohtsein, das gleichzeitig eine Gänsehaut als auch das Bedürfnis nach einem weiteren Krimi, Kategorie „Spannungsroman mit Psychologen-Protagonisten“, schafft, reicht es schon jetzt – insgesamt „gut“ für Schwedens Krimi-Musterschülerinnen Grebe und Träff.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
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