"Tapetenwechsel" von Kim Småge
Die langen Schatten der Besatzungszeit
Wer ist die Tote im Haus des Trondheimer Malers Henry Aar, und was haben die dicken Schichten abgerissener Tapete zu bedeuten, die im ganzen Haus herumliegen? Bei der Aufklärung dieses Falles lernen wir zum ersten Mal Kim Småges Serienheldin Anne-kin Halvorsen kennen, eine taffe Kommissarin mit Intelligenz, Kollegialität und großem Gerechtigkeitssinn. Halvorsen gibt sich nicht mit schnellen Verhaftungen zufrieden und verfolgt - zunächst gegen den Willen ihres Vorgesetzten – eine Spur, die in die ersten Nachkriegsjahre führt. Damals wurden in Norwegen Kollaborateure juristisch belangt, und es entstand der auf den Widerstand gegen die deutschen Besatzer gegründete "Mythos der nationalen Wiedergeburt" 1945.
Buchtipp |
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"Tapetenwechsel" (1993 in Norwegen erschienen) kann als Kim Småges Beitrag zum Ende der 1980er Jahre ausgebrochenen norwegischen Historikerstreit gelesen werden, in dem revisionistische Historiker die Beschränkung der Geschichtsschreibung auf den Widerstand massiv kritisierten und die Rolle von Vidkun Quisling und der norwegischen Nazis stärker gewürdigt wissen wollten. Småges Beitrag ist ein spannender und konzentrierter Krimi. Die Autorin ergreift für den Widerstand und die "kleinen Leute" Partei, indem sie eine gute Geschichte erzählt und unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Haltungen zur Okkupation lebendig werden läßt.
Das Thema ist keinesfalls erledigt. Die geschichts- und erinnerungspolitische Debatte über Widerstand und Kollaboration findet mit ungebrochener Intensität statt, ist seit den 1990er Jahren aber differenzierter geworden. Spät, aber immerhin sind zwei bedeutende Parlamentsbeschlüsse zustandegekommen – einer 1999 zur Entschädigung der verfolgten norwegischen Juden, ein zweiter 2005 zur Entschädigung der "Deutschenkinder".
"Tapetenwechsel" ist Kim Småges bester Kriminalroman, dessen Qualität die Neuauflage innerhalb der Reihe "ariadne classic" mehr als rechtfertigt.
Zum Weiterlesen seien zwei Texte empfohlen. Es sind dies Susanne Maerz (Deutschland): Landesverrat versus Widerstand: Stationen und Probleme der „Vergangenheitsbewältigung“ in Norwegen (2005) und Anette H. Storeide (Norwegen): Helden, Täter, Opfer: Erinnerung und Verdrängung im Umgang mit der Okkupationszeit in Norwegen (2007).
Vielen Dank an Dr. Kerstin Herbst aus Berlin
© Mai 2010 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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"Zweitgesicht" von Kim Småge
Hinfallen und aufstehen
Kim Småge ist die Impulsgeberin aller heute aktiven norwegischen Krimiautorinnen. Ihre Bücher sind in Deutschland unterschätzt und etwas in Vergessenheit geraten. Das mag zum einen daran liegen, daß Småge ihren ersten Krimi in Norwegen bereits 1983 und in Deutschland bereits 1991 veröffentlichte, zu einer Zeit, als sich die skandinavische Krimiwelle gerade erst aufzubauen begann. Zum anderen wird die Autorin hierzulande von zwei Verlagen betreut, die ohne großen Werbeetat arbeiten: Es sind dies der Hamburger Argument Verlag, der sie im deutschsprachigen Raum einführte, und der Frankfurter Scherz Verlag, der gewissermaßen die „Abteilung Frauenliteratur“ des noblen S. Fischer Verlages ist.
Momentan ist der norwegische Polizeiroman mit Kommissarin durch Anne Holts Hanne-Wilhelmsen-Reihe repräsentiert, die ungleich populärerer ist als Kim Småges Anne-kin-Halvorsen-Reihe. Zu Unrecht, denn Småge schreibt mindestens ebenso gut wie Holt. Zudem ist Kommissarin Halvorsen reflektiert, zornig und fair, und so ermittelt sie auch. Schließlich entwirft Småge keine Serienkiller. Ein bis zwei Morde pro Buch reichen ihr aus, um spannende und intelligente Unterhaltung zu produzieren.
Um eben diese handelt es sich auch bei Småges bislang letzten Krimi Zweitgesicht. Anne-kin Halvorsen ist frisch verliebt. Ihr kleiner Bruder hat beträchtliche Spielschulden, die Halvorsen unter Umgehung des Dienstweges ablöst. Eine Prostituierte wird tot aufgefunden. Drei illegale Weißrussinnen, die unter unwürdigen Bedingungen anschaffen müssen, werden aufgegriffen. Halvorsen wird von einem Stalker verfolgt, der jeder sein könnte – der undurchsichtige Geliebte, ein mit viel krimineller Energie ausgestatteter jugendlicher Gläubiger ihres Bruders, ein Zuhälter, der sich auf die Füße getreten fühlt. Nachdem die Handlung Fahrt aufgenommen hat, werden die Fäden auf spannende und überraschende Weise entwirrt.
Erneut begeistert Kim Småges munterer und ironischer Erzählton, der offensichtlich so schwer ins Deutsche zu übertragen ist, daß einige Formulierungen nicht nach 2007, sondern eher altbacken klingen (und was, bitte schön, ist eine „Blockwohnung“?). Die Schwächen der Übersetzung überdecken zum Glück nicht die erzählerische Kraft, mit der Småge kleine differenzierte Beschreibungen geografischer Gegebenheiten und sozialer Zustande Trondheims in die Handlung integriert, ohne daß ein „Trondheim-Regionalkrimi“ herausgekommen wäre. Die Geschehnisse könnten überall in Westeuropa spielen, aber nur Kim Småge kann sie in Trondheim ansiedeln.
Während der Ermittlungen fragt sich Halvorsen, ob sie jetzt auch ein Opfer sei, so eines, mit denen sie während ihrer Arbeit bei der „Sitte“ täglich zu tun hat. Nein, antwortet sie sich, und hoffentlich komme ich aus der Sache anders heraus, als ich in sie hineingeraten bin.
Vielen Dank an Dr. Kerstin Herbst aus Berlin
© April 2010 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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"Ein kerngesunder Tod" von Kim Småge
Kommissarin Anne-kin Halvorsen kann den Tod einer jungen
Schwimmerin nicht verhindern. Von ihrem Vorgesetzten wird sie zur seelischen
Verarbeitung in den Skiurlaub geschickt. Die privaten und beruflichen
Verwicklungen nehmen sofort ihren Lauf, und hören bis zum Schluß
auch nicht mehr auf. Es ist, als würde man ein Stück mit ihr durch`s
Leben gehen, aber nicht als kläre sie einen Fall auf. Irgendwann
frag ich mich: " Wie alt ist die überhaupt? Hab ich das überlesen?
" Keine Ahnung, was die Kommissarin auf Arbeit treibt. Mal ein Verhör
ja, aber eigentlich ist immer grad Feierabend. Und die Gedanken und
zufälligen Ereignisse kreisen um Anne-kin Halvorsen. Das Buch will
gelesen werden, und doch wirkt es flüchtig. Sehr seltsam. Gegen
Ende schlägt die Story nochmal zu. Da hilft auch kein Blues Anne-kin.
Vielen Dank an Lotta aus Rostock
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