"Kill"
von Mats Wahl
Eine große Hitzewelle liegt über Schweden
- das ganze Land scheint angesichts tropischer Temperaturen zu ächzen
und zu stöhnen. Als Kommissar Fors eines Abends nach der Arbeit
einen Liter Milch kauft und den Laden verlässt, wird er überfallen.
Die Täter - er hat nicht einmal gesehen, wie viele es waren - entwenden
ihm nicht nur die Geldbörse, sondern auch seine Dienstwaffe.
Buchtipp |
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Dieser Überfall allein würde als Krimi-Plot wohl kaum ausreichen
- entsprechend ist das nur die Vorgeschichte zu dem, was kurz darauf
passiert: Im Speisesaal einer Schule gibt es eine Schießerei.
Mehrere Kinder sind schwer verwundet und sterben zum Teil noch am Tatort,
während andere längere Zeit um ihr Leben ringen. Den Täter
scheint niemand gesehen zu haben - auch das kurz nach der Tat eintreffende
Einsatzkommando der Polizei findet keine Spur von ihm.
Obwohl Harald Fors wegen des Überfalls auf ihn noch angeschlagen
ist, soll er die Ermittlungen leiten. Doch ist er davon nicht gerade
begeistert - vor allem auch weil er befürchtet, dass die Tat in
der Schule mit seiner gestohlenen Dienstwaffe begangen worden sein könnte.
Wie schon im Vorgänger-Buch "Kaltes Schweigen" spielt
Mats Wahl, der Jugendbuchkrimis schreibt, die auch Erwachsene gerne
lesen, seine Stärken aus: Einfühlsam beschreibt er das Leid
der Angehörigen und Betroffenen, ohne dabei in Plattitüden
zu verfallen. Das geht so weit, dass die Beweggründe des Täters,
der am Ende natürlich gefunden wird, genau ausgelotet werden. Diese
Vielschichtigkeit ist dem Thema - wer denkt beim Lesen dieses Buches
nicht immer wieder an die Amokläufe von Erfurt oder Littleton -
auch angemessen. Viel besser kann man sich dem Thema eigentlich nicht
nähern.
Was "Kill" im Vergleich zum Vorgänger "Kaltes Schweigen"
jedoch leider fehlt, sind zwei Dinge: thematische Konsequenz und ein
sinnvolles Maß an Gesellschaftskritik. Die Handlung wirkt insgesamt
zu fahrig - zu oft springt Mats Wahl zwischen den verschiedenen Handlungssträngen
hin und her. Dies gilt auch für die Ebene der Figuren - Kommissar
Fors steht diesmal nicht allein im Vordergrund, sondern teilt sich die
Hauptrolle mit einem jungen Kollegen, der seinen Vorgesetzten Fors mehr
als bewundert. Und was die Gesellschaftskritik angeht: Da schießt
Mats Wahl diesmal deutlich über das Ziel hinaus. Auch wenn er grundsätzlich
Recht hat - aber muss man die gesellschaftlichen Missstände so
penetrant an den Mann bringen?
Nichtsdestotrotz: "Kill" ist kein schlechter Krimi des schwedischen
Jugendbuchautors. Aber an "Kaltes Schweigen" kommt das neue
Buch nicht heran...
Seien wir gespannt, ob Mats Wahl seine Krimireihe für Jugendliche
ab 14/15 Jahren fortsetzen wird... - dann hoffentlich wieder ohne die
genannten Schwächen. Denn das Potential zu spannenden Krimis für
Jugendliche und Erwachsene hat Mats Wahl allemal.
Vielen Dank an Ulf
Cronenberg/ Jugendbuchtipps.de
© April 2005 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Kaltes
Schweigen" von Mats Wahl
(K)ein Wallander im Jugendbuch
Mats Wahl wird bisweilen als "Wallander im Jugendbuch"
(Die Welt) bezeichnet, doch fehlen ihm zu diesem Ritterschlag einige
prägnante Merkmale Mankells; sei es dessen poetische Sprache, die
Gebrochenheit seines (Anti-) Helden Kurt Wallander oder die Gestaltung
des Schauplatzes Ystad als gleichsamer Fokus des Bösen. Wahls Kommissar
Fors ist ein eher eindimensionaler Charakter; geschieden, fleißig,
mit der üblichen unverbindlichen Geliebten. Er untersucht den Mord
an einem Jugendlichen ausländischer Herkunft. Schnell taucht als
Motiv Ausländerhass auf und wird verfolgt bis hin zu rechtsradikal
engagierten Jugendlichen und Rückblenden in die Nazizeit, die jedoch
unverknüpft mit dem Geschehen bleiben. Schließlich geht es
auch um die Drogenwelt und obskure Drogenhändler. Auch dieser Erzählstrang
wird nicht weitergeführt, sondern verläuft im Nichts. Die
Lösung des Falls kommt dann auch ziemlich unvermittelt und zu einem
Zeitpunkt als die Spannung, falls vorhanden, abzusacken droht. So erscheint
die Auflösung fast banal und geschieht beinah nebenbei. Außer
der Tatsache dass die Handlung im Jugendlichenmilieu spielt, kann dieser
Roman kaum als "Wallander im Jugendbuch" bewertet werden.
Mats Wahl sollte sich vor seinem nächsten Kriminalroman noch einige
Wallander zu Gemüte führen...
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© Mai 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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"Kaltes
Schweigen" von Mats Wahl
Wer Jugendbücher liest, für den ist Mats
Wahl unter Umständen schon länger kein Unbekannter - schließlich
hat er 1996 für "Winterbucht" verdientermaßen den
Deutschen Jugendliteraturpreis 1996 bekommen. Krimi-Liebhaber dagegen
dürften Mats Wahl, der sich mit "Kaltes Schweigen" nun
zum ersten Mal als richtiger Krimiautor vorstellt, eher nicht kennen.
Mats Wahls Kommissar Fors ist zwar schon in "Der Unsichtbare"
in Erscheinung getreten, doch ein richtiger Kriminalroman war das noch
nicht. Dass Wahl wie Mankell, Nesser & Co. aus Schweden kommt, ist
ja schon fast ein Qualitätszeichen...
Die Mordumstände in "Kaltes Schweigen" sind schnell erzählt:
Der Hund eines Orientierungsläufers, der seine tägliche Trainingsrunde
absolviert, entdeckt am Abend eine jugendliche Leiche im verschneiten
Wald. Kriminalkommissar Fors und sein Team sollen den Mord aufklären.
Dass der Tote mit heruntergezogener Hose im Schnee liegt und erschossen
wurde, aber jede Spur von einem Täter (ebenso wie die Todeskugel)
fehlt, macht die Fahndung nicht ganz einfach. Und wie immer in Kriminalromanen,
so wird infolge fehlender Tathinweise im Umfeld des Toten ermittelt.
Der Tote, Ahmed Sirr (von allen nur "Sirr" genannt), das stellt
sich bald heraus, scheint von vielen gehasst worden zu sein. Er kontrollierte
den Drogenhandel an seiner Schule, und wer ihm in die Quere kam, wurde
brutalst rangenommen. Doch der Mord an Sirr weist nicht nur auf eine
mögliche Rachetat im Bereich des Drogenmilieus hin, sondern könnte
auch durch Ausländerfeindlichkeit motiviert sein - denn Sirr ist
Ausländer... Seltsam ist auch, dass Sirrs Freund Jamal jede Auskunft
verweigert und andeutet, er sei ein toter Mann, wenn er rede.
Der Plot des Krimis wirkt nicht unbedingt Aufsehen
erregend, die komplizierten Pfade und Denkwege von Mankells Mördern
werden da nicht beschritten. Mats Wahls Krimi besticht eher durch anderes:
nämlich die Zeichnung der Figuren. Man kommt nicht umhin, Ermittler
Fors sympathisch zu finden - der Kommissar, ein sensibler und aufmerksamer
Beobachter, hat zwar den Mordfall fest in der Hand, sein Privatleben
aber nur bedingt. Und die Zweifel an seinem Beruf (das kennt man ja
schon von Mankells Wallander) machen ihn zu einem von uns... Doch auch
das restliche Ermittlungsteam ist bestens konzipiert: Vom "Ekelpaket"
Hjelm bis hin zur begabt-naiven Polizistenanwärterin Gunilla Strömholm
sind in "Kaltes Schweigen" alle Register der Figurenzeichnung
gezogen worden.
Überhaupt ist das ganze Buch so sympathisch, weil man merkt, dass
Mats Wahl das Herz auf dem rechten Fleck hat: Er mag seine Figuren -
vom Freund des Täters über die Pastorin mit ihrer allein erziehenden
Tochter (deren Freund übrigens in "Der Unsichtbare" ermordet
wurde) bis hin zum Polizeichef.
Resümieren wir: Mats Wahl ist mit "Kaltes Schweigen"
zwar keine neue Form des Kriminalromans gelungen (dazu lehnt er sich
mit seinem Mordfall zu sehr an die Krimis anderer Autoren an), jedoch
ein spannender Krimi, der durch seine Figuren lebt und atmet. "Kaltes
Schweigen" ist insofern ein Jugendbuch (ab ca. 14 Jahre), als es
im Jugendmilieu spielt, kann aber ansonsten als vollwertiger Krimi,
den auch Erwachsene mögen werden, gelten.
Man kann nur hoffen, dass es ein Wiedersehen mit Kommissar Fors geben
wird...
Vielen Dank an Ulf
Cronenberg/ Jugendbuchtipps.de
© März 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |