Ob Klassiker wie die Fünf Freunde oder Neues aus Lillköping:
Kinder- und Jugendkrimis stehen ganz hoch oben auf der Beliebtheitsskala
der Kids und bieten immer anspruchsvollere Leseerlebnisse.
Mit einem Anteil von 11,6 Prozent am Gesamtmarkt der Bücher in Deutschland
war das Kinder- und Jugendbuch im Februar 2004 erneut die stärkste Warengruppe,
so der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Der Stuttgarter Thienemann
Verlag startete im Frühjahr 2004 mit der Reihe Labyrinthe-Krimis ein neues
Konzept für junge Leser ab 13 Jahre. "Unterhaltsame, spannende Kinderkrimi-Reihen
gibt es jede Menge. Eine Jugendkrimi-Reihe dagegen ist eine echte Marktlücke.
Es gibt nur ganz wenige Einzeltitel auf dem Markt", so Programmleiter Stefan
Wendel zum Start der Jugendkrimi-Reihe vor gut einem Jahr.
Was sich für erwachsene Leser vielleicht wie ein Zwerg ausnimmt,
ist tatsächlich also ein heiß umkämpfter Markt.
Nirgendwo sonst entwächst die Zielgruppe schließlich
ständig dem Markt und muss eine neue Generation Leserratten
"herangezüchtet" werden. Einen nicht unerheblichen
Beitrag leisten da die Kinder- und Jugendkrimis, die bei den Kids
auch im Jahr 2004 noch hoch im Kurs stehen und das zweitbeliebteste
Genre überhaupt - nach Fantasy- (lies: Harry Potter-)Romanen
- darstellen.
Enid Blyton jetzt politisch korrekt
Dabei dominieren auf dem deutschen Markt immer noch die Klassiker aus dem angloamerikanischen
Raum, wie beispielsweise die Serien "Fünf Freunde", "Geheimnis
um
" oder "Schwarze Sieben" aus der Feder der 1968 verstorbenen
Enid Blyton. Inzwischen jedoch haben ihre Bücher ein neues, sozusagen politisch
korrektes, Make-up erhalten. Nach massiven Protesten in den 80ern und Anfang
der 90er Jahre übersetzte der Verlag die Romane um die "Fünf
Freunde" Julian, Dick, George, Anne und Timmy, dem Hund, nicht nur neu
und das heißt moderner ins Deutsche. Zusätzlich wurde außerdem
das Mädchenbild einer Revision unterzogen und Anne kommt jetzt nicht mehr
ganz so naiv und hausfraulich daher. Älter aber wird sie nicht, ebenso
wenig wie ihre Brüder und ihre Cousine. Julian, Dick, Anne und George bleiben
in allen Büchern der Serie, die auch nach Enid Blytons Tod heute noch von
anderen Autoren fortgesetzt wird, immer 11 bis 12 Jahre alt. So entwachsen die
Leser zwar nach und nach den Fünf Freunden, doch sorgen die aktuellen Bearbeitungen
und neuen Geschichten dafür, dass jede neue Generation "ihre"
Fünf Freunde-Abenteuer bekommt.
Neues aus Rocky Beach
Einen anderen Weg dagegen ging das Europa-Label mit seinen Geschichten um die
drei kalifornischen Jungs Justus Jonas, Peter Shaw und Bob Andrews. Gemeint
sind natürlich die Drei ??? aus Rocky Beach. Hier entschied der amerikanische
Verlag 1989 mit "The three investigators crimebusters", die drei Protagonisten
älter werden zu lassen und damit ein neues Zielpublikum anzusprechen. Damit
bekamen Justus, Peter und Bob nicht nur Auto und Handy, sondern auch Freundinnen,
was nicht immer ganz nach dem Geschmack der älteren Leser war, die mit
den Drei ??? in den 70ern groß geworden waren. Außerdem veränderten
sich damit natürlich auch die Themen. Stand die Serie zu Beginn noch ganz
im Zeichen von Gespensterschlössern, flüsternden Mumien, lachenden
Schatten, verschwundenen Schätzen, unheimlichen Drachen und Geisterinseln,
hielten um Folge 40 herum Automarder, Automafia, Musikpiraten, Computerviren,
Dopingmixer und Fußball-Gangster Einzug in die Geschichten. Schon zwei
Jahre später merkte man jedoch in Deutschland, dass das neue Konzept nicht
angenommen wird. Während in Amerika die Serie eingestellt wurde, leben
die Drei ??? in Deutschland dank des Kosmos-Verlages, der sich die Rechte kaufte,
neue Geschichten zu schreiben, aber weiter. Ab 1993 schrieb die Wiener Journalistin
Brigitta-Johanna Henkel-Waidhofer ihre ersten von insgesamt 16 Drei ???-Geschichten,
wobei sie durchaus moderate Änderungen aus der Crimebusters-Zeit übernahm.
1995 wird André Minninger Autor für die Drei ???, 1997 kommt André
Marx hinzu.
Eine Ära geht zu Ende: Neue Drei ???-Bücher ohne
Alfred Hitchcock
Schöpfer und geistiger Vater der Drei ??? ist übrigens
nicht Alfred Hitchcock, der gleichwohl im wahrsten Sinn des Wortes
seinen Kopf und seinen scharfen Verstand für die drei Detektive
bereithielt, sondern Robert Arthur, der schon damals Alfred Hitchcock
clever als vermeintlichen Autor ausgab und ihn damit zur "Werbeikone"
für die Drei ??? machte - durchaus erfolgreich, wie man sieht.
Robert Arthur verstarb jedoch bereits 1969. Seitdem haben eine
Vielzahl Autoren und Autorinnen für die Drei ??? geschrieben.
In Deutschland sind das in der Hauptsache die bereits weiter oben
erwähnten Autoren André Marx und André Minninger
sowie Ben Navis.
Seit April 2005 erscheinen die Cover der neuen Geschichten und
Hörspielkassetten jedoch aus lizenzrechtlichen Gründen
ohne das charakteristische Hitchcock-Logo. Alfred Hitchcock als
Erzähler, der sich aktiv an seine Leser wendet und zum Mitraten
einlädt, gibt es ohnehin seit geraumer Zeit nur noch auf
den Hörspielkassetten. Bereits Anfang der 90er Jahre war
die typische Titelmusik der Drei ??? Lizenzstreitigkeiten zum
Opfer gefallen, und seit Folge 40 etwa müssen die Fans mit
neuer Titelmusik vorlieb nehmen. Doch aller Lizenzstreitigkeiten
um Logos und Musik zum Trotz, die Drei ??? leben weiter. Das bewies
zuletzt die 100. Folge der Drei ??? aus dem Jahr 2001 mit einem
Dreifach-Jubiläumsband.
Abenteurer in der Millionenstadt
Ein Klassiker aus deutscher Feder sind die Abenteuer von TKKG. TKKG steht für
Tim, Karl, Klößchen und Gaby und die vier sind die heimlichen Rivalen
der Drei ??? - Man kann - konnte? - nur eine Detektivgang lieben, entweder TKKG
oder die Drei ???, so schien es damals in den 80ern. Autor der TKKG-Serie ist
Stefan Wolf. Obwohl man auch bei TKKG mittlerweile bei Folgen jenseits der 100
angekommen ist, scheinen die Protagonisten ähnlich wie die "Fünf
Freunde" nicht zu altern. In Folge 145 jedenfalls, "Hinterhalt am
schwarzen Fels", sind Tim, Karl, Klößchen und Gaby immer noch
in der 9b. Thematisch jedoch geht es in der 145. Folge ganz hart an der Realität
zur Sache: Maskierte Verbrecher tauchen in der Schule auf, die die vier besuchen.
Zwar kommt es nicht zu einem Amoklauf, aber Einflüsse aus der Realität
können und sollen wohl kaum verleugnet werden. Schauplatz aller Abenteuer
der vier Freunde ist eine namenlos bleibende, deutsche Großstadt. Vom
Erfolg her hinkte TKKG jedoch immer hinter den Drei ??? hinterher und das scheint
auch heute noch so zu sein. Susanne Daberkow, Leiterin der Kinder- und Jugendbibliothek
der Stadt Oberhausen, findet die Serie jedenfalls "im Auslaufen begriffen".
Die Ausleihen seien bei weitem nicht so hoch wie die von den Drei ??? etwa.
Unterdessen zeigt sich, dass Serien wie Die Fünf Freunde,
TKKG oder Die drei ??? der Kinder- und Jugendbuchmarkt vor allem
auch dann für die Verlage interessant ist, wenn sich drumherum
Merchandising in Form von CDs, Hörspielkassetten, Fernseh-Verfilmungen
etc. aufbauen lässt. Schon in den 70ern wurden die ersten
Fünf Freunde-Folgen verfilmt und Hörspielkassetten produziert.
Auch die Drei ??? gibt es seit 1979 auf Kassette, und in den 80ern
wurde schließlich auch TKKG fürs Fernsehen verfilmt.
Schwedens Meisterdetektiv Kalle Blomkvist
Bereits 1957 verfilmt, wurde auch Astrid Lindgrens Kalle Blomkvist. Insgesamt
sind drei Bände über den Meisterdetektiv Kalle Blomkvist aus Lillköping,
dessen Freunde Eva-Lotta und Anders, Konstapel Björk und natürlich
die "Weißen" und die "Roten Rosen" erschienen, die
Astrid Lindgren sehr früh in ihrer schriftstellerischen Karriere schrieb,
nämlich Ende der 40er und Anfang der 50er Jahre. Dabei sind die Kalle Blomkvist-Bücher
verhältnismäßig untypisch für Astrid Lindgren, denn sie
sind nicht nur bis zum Bersten spannend, sondern zum Teil auch sehr grausam.
Da ist zum Beispiel der Mord an dem Wucherer Gren, dessen Leiche Eva-Lotta entdeckt.
Im Verlauf der Geschichte geraten die Kinder in ernsthafte Gefahr, werden eingesperrt
und der Mörder schickt Eva-Lotta sogar eine vergiftete Pralinen-Schachtel.
In Kalle Blomkvist und Rasmus wird der fünfjährige Rasmus und sein
Vater, ein Professor, der undurchdringliches Leichtmetall erfunden hat, entführt.
Eva-Lotta versteckt sich im Auto der Kidnapper, während Kalle und Anders
den Entführern auf dem Motorrad des entführten Professors folgen.
Erst in letzter Sekunde gelingt es Kalle, via Radio die Polizei zu Hilfe zu
holen.
Der erwachsene Helfer im Hintergrund
Was wiederum Kalle Blomkvist und seine Weißen Rosen mit
TKKG und den Drei ??? gemeinsam haben, ist, dass alle einen Verbündeten
bei der Polizei haben, diesem jedoch immer einen Schritt voraus
sind. Bei Kalle Blomkvist ist es der liebenswürdige, leicht
tölpelhaft gezeichnete Konstapel Björk, Gaby von TKKG
ist die Tochter von Kommissar Glockner, die Drei ??? schließlich
haben Kommissar Reynolds (später Inspektor Cotta) und natürlich
Alfred Hitchcock als Paten im Hintergrund. Neuere Kinder- und
Jugendkrimis scheinen jedoch interessanterweise ohne diesen erwachsenen
Helfer im Hintergrund auszukommen.
Neue Trends aus Skandinavien
Dabei sind es, wie schon im Erwachsenensegment, auch hier wieder vor allem die
skandinavischen Autoren, die neue Trends setzen. Zum Beispiel Ingvar Ambjørnsen,
der den erwachsenen Lesern vor allem durch seine Elling-Romane bekannt sein
dürfte. Im Mittelpunkt seiner "Peter und der Prof"-Krimis stehen
zwei Jungs aus Oslo, die Rätsel aller Art mit starkem Bezug zur gesellschaftlichen
Realität lösen und sehr sozialkritisch sind. Die Serie ist sowohl
in Skandinavien als auch Deutschland äußerst populär. Nach zehn
Bänden war mit Peter und der Prof Schluss, doch dürfen sich seine
jugendlichen Fans auf neue Krimis gespannt machen. Zur Zeit schreibt Ingvar
Ambjörnsen an einer neuen Reihe, Titel: "Drapene i Barkvik".
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den Jungs
aus Oslo oder zum
Interview
mit Ingvar Ambjørnsen
Svala sorgt für Gleichberechtigung
Bisher auf Deutsch unveröffentlicht, aber dennoch nennenswert sind die
Jugendkrimis des schwedischen Autorinnentrios Emma Vall, die mit Amanda Rönn-Krimis
auch das Erwachsenensegment bedienen. Was diese Reihe so bemerkenswert macht,
ist die Protagonistin Svala, von der die Bücher vor allem leben. Die zu
lösenden Verbrechen sind teilweise konventionell, erinnern streckenweise
sogar an die Klassiker, etwa wenn es um Sabotageakte eines Theaterprojekts geht.
Doch Svala, die im ersten von vier Bänden 14 Jahre alt ist, ist eine bemerkenswerte
Protagonistin, steht sie doch nicht nur mitten im Leben, sondern stellt auch
gängige Konventionen mutig in Frage. Dabei sind Svala und ihr drei Jahre
älterer Bruder Petúr ziemlich auf sich alleine gestellt. Ihre Eltern
haben sich gerade getrennt und während Mama Aisa vorläufig in die
isländische Heimat zurückkehrt, ist Vater Jan irgendwo auf dem Balkan
mit einem Lebensmittelkonvoi unterwegs. Hier wird das Erleben von Abenteuern
-und dazu zählt vor allem auch das Abenteuer "Erwachsenwerden"
- also durch die dramaturgisch notwendige Entfernung, durch das in die Ferne
Entsenden, der Eltern bzw. Erwachsenen überhaupt erst möglich und
zum konstituierenden Moment. Svala selbst ist dabei kein burschikoser Typ, der
lieber ein Junge sein möchte, wie Enid Blytons George. Im Gegenteil. Svala
ist ein zunächst pubertierendes Mädchen, mit all den typischen Problemen
und Zweifeln, das sich im Laufe der vier Geschichten zu einer jungen Frau entwickelt,
die Überzeugungen hat, dafür kämpft und einsteht - ein typisches,
emanzipatorisches Vorbild aus dem "gleichgestellten" Schweden.
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Svalas Steckbrief
oder zum
Interview
mit den Autorinnen Emma Vall
Kommissar Fors ermittelt im Jugendmilieu
Hervorzuheben sind weiter die gleichermaßen anspruchsvollen
wie einfühlsamen Jugendkrimis des Schweden Mats Wahl. Jedoch
verzichtet der 1945 in Malmö geborene Schriftsteller nicht
wie seine KollegInnen auf einen erwachsenen Helfer. Im Gegenteil
macht er ihn mit Kommissar Fors sogar zum Protagonisten - eine
absolute Ausnahme in alten wie neuen Kinder- und Jugendkrimis.
Doch zeigt Mats Wahl in seinen Geschichten konsequent Jugendliche
als Täter und Opfer. Mats Wahls Bücher zeugen dabei
von großem Einfühlungsvermögen in die Lebens-
und Gefühlswelt von Jugendlichen. Man merkt, er nimmt sie
ernst, diese Kids, immer und unabdingbar, und er mag sie - wichtige
Voraussetzungen für gute Jugendromane. Wie sein norwegischer
Kollege Ingvar Ambjørnsen ist dabei auch Mats Wahl ganz
nah dran an der Lebenswirklichkeit der Jugendlichen und greift
aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen in seinen Jugendkrimis
auf, etwa wenn er einen Schützen in einer Schule Amok laufen
lässt oder über Rechtsradikalismus und Gewalt unter
Jugendlichen schreibt. Mit "Kill" hat er seinen neuesten
Bestseller im Jugendkrimi-Markt vorgelegt. Ein Roman, der auch
von Erwachsenen unbedingt gelesen werden kann und sollte.
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Kommissar Fors
oder zum
Grußwort von
dem Autor Mats Wahl
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Die Schwelle zum Erwachsenenroman
Auf der Schwelle zur Erwachsenenliteratur und ein Grenzfall im Krimigenre stellt
auch Håkan Nessers Roman "Kim Novak badete nie im See von Genezareth"
dar. Im Zentrum steht der Mord an Berra Albertsson, dem Verlobten der Aushilfslehrerin
Ewa, die aussieht wie Kim Novak und die gesamte männliche Bevölkerung
in ihren Bann zieht.
Erzählt wird rückblickend aus der Sicht des heute erwachsenen Erik,
der diesen Sommer, der alles veränderte, noch einmal Revue passieren lässt.
Erik ist 14 und verbringt den Sommer zusammen mit seinem Freund Edmund und seinem
älteren Bruder Henry im Ferienhaus seiner Eltern. Eriks und Henrys Mutter
hat Krebs und liegt im Sterben; der Vater will daher nicht mit ins Sommerhaus
und so haben die drei einen herrlichen, letzten Sommer der Kindheit vor sich.
Das Paradies zerbricht jäh, als Berras Leiche gefunden wird und die drei
zum Erwachsenwerden gezwungen werden. Wer der Mörder ist, darüber
lässt Nesser seine Leser im Unklaren, behauptet aber beharrlich, er habe
einen Hinweis in der Erzählung versteckt. Den gelte es zu finden, dann
wisse man, wer der Mörder ist. Dabei lenkt die Frage nach dem Mörder
eigentlich davon ab, dass es hier auch und vor allem um die bittersüße
Geschichte vom Erwachsenwerden geht. In einem typisch Nesser'schen Geniestreich
konstruiert der Schwede den Mord an der Kindheit als ungelöst und lockt
den Detektiv in uns allen zum Vorschein, auf der Suche nach der verlorenen Zeit.
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Damit sind wir endgültig in der Erwachsenenliteratur angekommen.
Du darfst gerne aus unserem Artikel in deinen Hausarbeiten und Referaten zitieren,
aber bitte vergiss nicht, uns als Quelle anzugeben!