Meiner Meinung nach
Ich möchte diese Gelegenheit wahrnehmen, um Ihnen
zu erzählen, wie die Geschichten über den Journalisten Einar
meiner Meinung nach entworfen sind. Die Idee dazu wurde im Sommer 1994
geboren. Ich saß auf dem Sonnendeck eines Kajütbootes in
den schwedischen Schären, las dabei ein Buch eines meiner Lieblingsautoren
von Kriminalromanen, dem Amerikaner Ross Macdonald, der, zu seiner Zeit,
ein verdienstvoller Schüler von Raymond Chandler war. Ich war so
in das Lesen versunken, dass ich nicht acht gegeben hatte. Dunkle Wolken
hatten die Sonne verdeckt und ehe ich mich versah, strömte der
Regen herunter. In wenigen Sekunden waren das Buch und ich durchtränkt
und wir flüchteten in die Kabine. Dort saß ich eine Zeit
lang und versuchte, uns beide trocken zu bekommen. Während das
Buch trocknete, fing ich an, über mögliche Schauplätze
für einen Kriminalroman in Island nachzudenken.
Dashiell Hammett und Raymond Chandler sind Meister der Kriminalliteratur,
des so genannten "hard-boiled" Genre. Chandler ist jedoch
von Natur aus romantischer. Sein Held, der Ermittler Philip Marlowe,
ist menschlicher und weicher als zum Beispiel Sam Spade von Hammett.
Der Held von Ross Macdonald, der Privatdetektiv Lew Archer, ist wahrscheinlich
zwischen diesen beiden einzustufen.
Während ich, den hämmernden Regen auf dem
Dach, darüber nachdachte, den "hard-boiled" Helden in
das heutige Island zu bringen, nicht in "Fleisch und Blut"
wie von den oben erwähnten Meistern, aber doch mit den prägenden
ursprünglichen Charaktereigenschaften, wie zum Beispiel die Einsamkeit,
das Trinken, der Sinn für Gerechtigkeit und das Unterkühlte
oder die Härte. Aber ich möchte auch, dass sich der Held vor
den Augen der Leser weiterentwickelt und auch vor meinen eigenen. Der
Journalist Einar ist zu Beginn der Geschichte, die vier Jahre später
unter dem Titel "Nóttin hefur þúsund augu"
(Die verschwundenen Augen) erschien, anders als am Ende. Er ist wieder
ein anderer im nächsten Buch, "Hvita kaninan". Und noch
einmal ganz anders im dritten, "Blátt tungl". Auch
wenn gewisse Charakteristika gleich bleiben, ändern sich andere.
Diese Geschichten, die durch die Erzählung in der ersten Person
im Präsens in Einars Verstand stattfinden, sind für mich der
"Bildungsroman" (im Original in Deutsch) des hard-boiled "Helden",
welcher sich unter der Schale als "soft-boiled" herausstellt.
Dies wird offenbart, wenn er sich besser kennen lernt, indem er die
Rätsel von anderen Menschen löst, die seine Wege kreuzen.
In "Hvita kaninan" sagt Einar: "Ich denke über einen
altmodischen Privatdetektiv nach. Am Beginn der Ermittlungen ist er
allein, dann beginnt er mit seinen Ermittlungen über das Leben
anderer Menschen auf der Suche nach einem Verbrechen und wenn diese
Ermittlungen zu Ende sind, ist er wieder allein". Und kurz danach.
"Vielleicht untersuchen altmodische Privatdetektive nie das Leben
anderer Menschen. Möglicherweise untersuchen sie immer sich selbst".
Meiner Meinung nach ist dies ein wichtiger Mittelpunkt in den Geschichten
über den Journalisten Einar. Er ist ein Nachkomme des hard-boiled
Helden, aber tatsächlich ist er ein schwarzes Schaf in der Familie.
Er kann nicht so unterkühlt sein, wie er versucht zu sein. Diese
Abwehr funktioniert nicht, wenn er sie braucht. Er ist zu zerbrechlich
und zur gleichen Zeit zu offen. Seine Vorurteile fallen mit dem Fortgang
der Geschichten weg - gegenüber Frauen, Rassen, Homosexuellen,
all den Typen von Menschen, all den Normen und menschlichen Werten denen
er begegnet und die ab einem gewissen Punkt geerbt sind von den Vorgängern,
der hard core Kriminalromane, aber auch, und das nicht weniger, von
den Ideen - einschließlich der Ernüchterungen - die wir alle
über andere Menschen haben, am allermeisten wegen unserer eigenen
Unsicherheit.
Das Buch ""Nóttin hefur þúsund augu"
entwickelt sich eigentlich um Einars Verbindung zu seinem eigenen Ursprung,
"Hvita kaninan" über seine Verbindung zu seinem Kind,
"Blátt tungl" über die Beziehung zu sich selbst.
Buchtipp |
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Das mag zu konstruiert und zu ernsthaft sein, besonders, da ja das Hauptziel
von Kriminalromanen ist, den Leser aufmerksam zu halten und ihn mit
einer aufregenden Handlung zu unterhalten. Aber das eine schließt
das andere nicht aus. Andererseits sind diese Geschichten Kriminalromane,
die unsere Gesellschaft betrachten und die Strömungen, die durch
sie gehen und dies hoffentlich auch mit einer Art Mischung aus Spannung
und Humor. All dies könnte dazu in der Lage sein "Einar Group"
auszustatten.
Die Geschichten über Einar spielen mit, was viele als "Formeln"
der Tradition bezeichnen aber sie folgen ihnen nicht notwendigerweise.
"Formeln" nehmen manchmal mehr Raum im Kopf der anderen ein,
als beim Schriftsteller selbst. Möge Gott es geben, dass Einar
sich niemals in eine Formel verwandelt oder besessen wird von politischer
Korrektheit oder ein endgültiges psychologisches Gleichgewicht
findet. Wenige Dinge sind langweiliger als ein "Held" aus
einem Kriminalroman, der perfekt ist und ein glückliches Leben
führt, frei von Konflikten. Das gleiche kann wahrscheinlich über
die Menschen im Allgemeinen gesagt werden. Ist es nicht gerade unsere
Schwäche, die uns menschlich macht, eher noch als einige Formeln?
Dies beschreibt, wie die Geschichten über den Journalisten Einer
in dem Sommerregen, vor mehr als einem Jahrzehnt, ausgedacht wurden.
Meiner Meinung nach.
Árni Þórarinsson, im Herbst
2005 - ins Englische übersetzt von Kristin Viðarsdóttir
Übersetzung Juni 2006 für das Literaturportal schwedenkrimi.de
- Krimikultur Skandinavien aus dem Englischen von Jürgen Ruckh,
vielen Dank. Veröffentlicht mit der freundlichen Genehmigung des
Autors. |