"Die Rattenfängerin" von Inger Frimansson
Verstörendes Psychogramm
Alleine schon die Erzählweise von Inger Frimanssons neuestem Roman, Die Rattenfängerin, gewährt dem Leser tiefe Einblicke in das Innenleben der beiden Protagonistinnen. Erzählt wird abwechselnd aus Roses und Ingrids Sicht. Rose ist Lektorin und die geschiedene Frau von Titus, eines in Stockholm bekannten Verlegers. Ingrid ist „die Neue“ an Titus’ Seite. Wie es zu dieser neuen Liaison kam, wird in kurzen Rückblicken der Personen geschildert. Rose, die betrogene Exfrau, haust nun zurückgezogen in einem kleinen Häuschen in Södertälje, während Titus und Ingrid in einer schicken Stadtwohnung leben. Genießen können sie ihr Leben jedoch nicht mehr, denn Titus ist unheilbar an Krebs erkrankt und musste ins Krankenhaus eingeliefert werden. Dort wartet er nur noch auf das Sterben. Sein letzter Wunsch an Ingrid ist es Rose aufzusuchen, von der er sich Absolution für seinen Betrug erhofft. Wie wenig Rose bereit ist, ihm diese zu gewähren, schildert Frimansson in beklemmender Weise.
Ingrid „verschwindet“ nach ihrem Besuch bei Rose von der Bildfläche. Der Leser aber weiß, was geschehen ist. Rose, die sich Ratten als Haustiere hält, dreht durch, als Ingrid in Panik eine ihrer Ratten erschlägt und sperrt Ingrid in den Keller, der mehr einem dunklen Loch ähnelt. Von da an entwickelt sich eine spannende, hoch verstörende „Beziehung“ zwischen der Gefangenen und ihrer Wärterin. Durch einen Trick gelingt es Rose sogar, die Außenwelt vom freiwilligen Verschwinden Ingrids zu überzeugen. Auch für den leidenden Titus wird diese Nachricht zu viel und er stirbt.
Nun ändert Frimansson die Perspektive und erzählt aus der Sicht der Töchter Titus’ sowie des Sohnes von Rose. Während Titus’ Töchter mehr oder weniger unfreiwillig Handlanger von Roses Intrige werden, kehrt Tomas nach einem Auslandsaufenthalt mit seiner schwangeren Frau heim und wird von den Ereignissen überrollt. Rose ist kaum wiederzuerkennen, faselt von ihren Ratten und scheint in eine eigene Welt abgedriftet zu sein. Eine der Töchter ahnt das grausige Geschehen und entdeckt schließlich Ingrid im Kellerloch: „Ihr war, als rege sich das Bündel.“
Beim Lesen ist man hin -und hergerissen, empört ob der Grausamkeiten Roses, aber auch verstört über die Qualen, die die Trennung in ihr hervorgerufen hat. Frimansson verhindert eine Identifikation des Lesers mit dem Opfer, das sie nicht besonders liebenswert erscheinen lässt. Ingrid war schon immer Opfer und fügt sich beinah in ihre Rolle. Verstörend ist auch das Leitmotiv, die Ratten, die von Rose so liebevoll umsorgt werden, die aber gleichzeitig für andere so erschreckend sind. Der Titel suggestiert auch, dass Ingrid als Ratte gesehen werden kann, die sich in Roses Leben eingeschlichen hat um es zu zerstören. Indem Rose sie einfängt, kann sie ihre Wut loswerden. Dass sie dafür einen hohen Preis bezahlen muss, scheint keine Rolle zu spielen. Moralisiert wird in diesem Roman nicht.
Frimansson versteht es geschickt, uns Abgründe menschlicher Natur aufzuzeigen. Es ist erschreckend, wie tief diese Abgründe sein können.
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© März 2010 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Die
Insel der nackten Frauen" von Inger Frimansson
Erotische Sehnsüchte und Abgründe
Mit "Die Insel der nackten Frauen" liegt
der vierte Roman Inger Frimanssons vor, der ins Deutsche übersetzt
wurde. Anders als bei vielen ihrer Kollegen, geht es ihr nicht um die
Ermittlungen eines Kriminalteams nach einem Mord, sondern
vielmehr um die Psyche des Täters. Im Mittelpunkt des Geschehens
steht Tobias, ein geschiedener Mittdreißiger, der recht erfolgreich
Romane schreibt. Infolge eines Arbeitsunfalls braucht sein Vater, der
mit seiner jüngeren Lebensgefährtin und deren zurückgebliebenem
Sohn auf dem Land lebt, Tobias' Hilfe. Gemeinsam mit Sabina, der Lebensgefährtin
seines Vaters, treibt er eines Tages die Ochsen von der "Insel
der nackten Frauen". Mit dabei ist auch der Handlanger Hardy, ein
Kleinkrimineller, der Tobias seine Verachtung spüren lässt.
Die Situation ist äußerst aufgeladen und entlädt sich
schließlich in einer erotischen Begegnung zwischen Sabina und
Tobias, die allerdings dabei beobachtet werden. Geschickt verknüpft
mit der Vorbereitung der Rinder zur Schlachtung, lässt Inger Frimansson
Tobias auf diese Bedrohung schließlich ebenso instinktgeleitet
reagieren wie sich die Rinder gegen das Rasieren wehren. Was danach
geschieht, ist wie in einem Dunstschleier auch dem Leser vorerst verborgen.
Sabina allein weiß, was wirklich geschah und versucht Tobias so
gut es geht zu beruhigen. Zurück in der Stadt findet Tobias keine
Ruhe, überwirft sich mit seiner Freundin und hat das Verlangen
zum Hof zurückzukehren um herauszufinden, was wirklich passierte.
Als er die Wahrheit erfährt, wächst die Bedrohung erneut und
zwingt ihn zu einer weiteren Tat. Dies schildert Frimansson fast beiläufig,
so wie auch Tobias' Psyche mittlerweile funktioniert. Ihn plagen Kopfschmerzen
und er kann kaum noch zusammenhängend denken. Und so nehmen die
Triebe, besonders der menschliche Selbsterhaltungstrieb überhand,
der das Bedrohliche auszulöschen sucht. Das Ende kommt ziemlich
abrupt und ist für den Leser im ersten Moment unbefriedigend, denn
es bietet nicht die Lösung des Falls, es deutet sie lediglich an.
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© Mai 2005 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Der
Beschützer" von Inger Frimansson
Falsche Fährte
Inger Frimanssons "Der Beschützer" ist
der zweite Roman, der von der "schwedischen Minette Walters"
auf deutsch erscheint. Verglichen jedoch mit anderen skandinavischen
Krimiautorinnen wie Anne Holt oder Helene Tursten zählt sie für
mich eher zu den "Ivars" unter den IKEA-Regalen. Ihr Roman
ist eine leichte, um nicht zu sagen seichte Kost, die im Feurwehrmännermilieu
spielt. Bei einem Einsatz kommt ein Feurwehrmann auf sonderbare Weise
ums Leben, wenig später wird einer seiner Vorgesetzten ermordet,
und schließlich wird eine 15-jährige entführt.
Buchtipp |
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Frimansson
gelingt es zu keinem Zeitpunkt Spannung und Schnelligkeit in ihren Roman
zu bringen. Man erfährt nichts über die Ermittlungen der Polizei
und wähnt sich bis kurz vorm Ende auf der richtigen Spur des Täters,
da sie keinerlei falsche Fährten legt. Völlig überraschend
sind letztlich alle drei Taten auf einen Geisteskranken zurückzuführen,
der Selbstmord begeht und in einem Abschiedsbrief sein Vorgehen begründet.
Diese Wendung wird in keinster Weise handlungstechnisch vorbereitet
und lässt den Leser achselzuckend zurück. Schwierigkeiten
bereiten auch die Verstrickungen in für die Handlung unwesentliche
Details und Nebenhandlungen, die das ohnehin langsame Tempo nur weiter
verringern. Zukünftig werde ich mich von schwedisch anmutenden
Umschlagbildern nicht mehr ohne Weiteres locken lassen, schließlich
könnte es eine falsche Fährte sein ...
Vielen Dank an unsere Rezensentin Katja Perret.
© November 2003 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Gute Nacht,
mein Geliebter" von Inger Frimansson
Justine Dalvik gibt dem Leser Rätsel über
Rätsel auf. Sie ist Opfer und Täter in einer Person, wird
gequält oder lässt sich quälen. Ist sie verrückt
oder hat die sadistische Stiefmutter sie für alle Zeit gebrochen?
Da sterben und verschwinden die Menschen in ihrer Umgebung und trotzdem
drückt man ihr die Daumen für ein "normales Leben".
Dieser Thriller ist großartig geschrieben und lässt den Leser
dieselbe Person beschützen wollen und im nächsten Moment ungeheuerlich
finden. Man wird hin und her gerissen, ohne Einfluss nehmen zu können.
Absolut lesenwert!
Der schwedische Thriller "Gute Nacht, mein Geliebter" kommt
lange ohne Mord und Todschlag daher. Zeitweilig hat man das Gefühl
gar keinen Krimi zu lesen, sondern eine skurrile "Lebensbeichte".
Selbst der Schluss ist absolut untypisch ...
Vielen Dank an Lotta
© 2003 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |