"Raid und
der Legionär" von Harri Nykänen
Die Faszination des Bösen - Harri Nykänen erzählt rational,
emotionslos und konsequent die Geschichte von Raid, dem Verbrecher
Uki Kukkamaas Spezialität sind Geldschränke.
Als er erfährt, dass im Safe eines Anwaltsbüros drei Millionen
finnische Mark liegen Schwarzgeld, das ins Ausland geschafft
werden soll beschließt er, den Tresor zu knacken. Zwei
Drittel für ihn, ein Drittel für Lauri Lehtinen, der ihm den
Tipp gegeben hat. Der Einbruch gelingt und Uki bittet Raid, den sympathischen
Gangster mit eigener Moral, Lauri das Geld zu bringen. Als Raid in Lauris
Wohnung ankommt, ist dieser tot alles deutet auf Mord hin. Raid
informiert Kommissar Jansson von der Kripo Helsinki, mit dem ihn eine
Beinahe-Freundschaft verbindet, und macht sich auf die Suche nach Eki,
genannt der Legionär. Denn Lauri hatte verfügt,
dass der Legionär ihn beerbt. Der wortkarge Jansson
und sein lebensfroher Kollege Huusko müssen nun in gleich zwei
Fällen ermitteln, denn es gibt einen weiteren Toten: Ein Mann ist
mit einer Axt im Schädel aufgefunden worden. Nachbarn haben einen
Streit gehört und eine Gestalt flüchten sehen, deren Beschreibung
haargenau auf den berüchtigten Legionär passt.
Während ein Team fieberhaft nach dem mutmaßlichen Täter
fahndet, erleben Jansson und Huusko in Lauris Wohnung eine Überraschung:
Offenbar auf Befehl von ganz oben ist der Fall zwei Kollegen übertragen
worden beides Zöglinge von Alaniemi, ehemaliger Kripochef
und jetzt heißer Kandidat für den Posten des Innenministers.
Als dann auch noch der Gerichtsmediziner einen natürlichen Tod
bescheinigt, beschließen Jansson und Huusko an der Sache dranzubleiben.
Und Raid? Dem ist es inzwischen gelungen, den Legionär
aufzuspüren.
Die Serie um Raid ist in Finnland überaus erfolgreich
und bereits verfilmt worden. Nicht zu Unrecht, wie ich nach der Lektüre
des dritten, doch für mich ersten, Bandes meine. Das liegt nicht
zuletzt an dem ungewöhnlichen Protagonisten: Raid ist nämlich
Krimineller und hat als solcher nicht nur harmlose Einbrüche,
wie in vorliegendem Krimi, verübt, sondern auch mehrere Morde.
Auf tiefenpsychologische Erklärungen für die Verbrecherlaufbahn
Raids wird jedoch praktisch vollständig verzichtet. Stattdessen
wird dies ebenso schnörkellos wie sachlich und unprätentiös
konstatiert. Gerade deswegen gelingt Nykänen der moralische Balanceakt,
denn so erliegt er nicht der Gefahr der Rechtfertigung, die nur misslingen
könnte. Zwar ist Raid nicht durch und durch schlecht. Auch er hat
seine Moral und stellt sich durchaus in den Dienst einer guten Sache.
Doch sind die Methoden nicht immer ganz legal und so besticht die Figur
des Raid vor allem durch die Faszination, die vom Bösen, vom Verwegenen
und leicht Verruchten ausgeht, zumal wenn der Böse immer wieder
an der Grenze zum Guten wandelt. Das bewirkt nicht zuletzt ein Robin-Hood-Syndrom,
das hilft, sich mit Raid, dem Kriminellen, anzufreunden. Wer sich dennoch
nicht für den negativen Protagonisten Raid als Helden
entscheiden kann, findet in den Kommissaren Jansson und Huusko positive
Identifikationsfiguren. Damit hat Nykänen eine packende Personenkonstellation
geschaffen, die wesentlich zum spannenden Leseerlebnis beiträgt.
Dabei ist Huusko unabhängig von seinen skandinavischen Kollegen
gezeichnet und zudem so eigenwillig, wie es wohl nur ein finnischer
Charakter sein kann. Auch Huuskos Vorgesetzter Jansson passt als fürsorglicher,
von Herzrhythmusstörungen geplagter, Chef gut in das Personensetting.
Die Sprache ist der ungewöhnlichen Personenkonstellation angemessen:
nüchtern, rational und geradeaus, jedoch keine harte Hard-boiled
Schule, was Raid und Legionär neben der Figurenanordnung
auch im rein sprachlichen Sinn lesenswert macht. Hinzu kommt gelegentlich
trockener Humor mit ein wenig Melancholie. Auch das eine gelungene Mischung,
wie sie in skandinavischen Krimis eher selten anzutreffen, für
das Finnische wohl aber charakteristisch ist.
Buchtipp |
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Bleibt der Plot. Der handelt von Korruption innerhalb des Polizeicorps
und ist verworren wie ein Haufen aufgeriwwelter Wolle. Jedenfalls besteht
die Gefahr, gegen Ende etwas den Überblick zu verlieren, wer wen
wann in welcher chronologischen Reihenfolge warum aufgesucht bzw. umgebracht
hat, doch spiegelt sich auch darin die tiefe Verstrickung des Polizeiapparates
in kriminellen Machenschaften wider. Spannung kommt vor allem dadurch
zustande, dass man mit Huusko und Jansson bangt, ob es dem sympathischen
Polizeiduo gelingt den ziemlich bald bekannten Täter
zu überführen oder ob dieser sich aus der für ihn brenzligen
Situation herauslavieren kann.
Raid und der Legionär ist damit zwar kein Krimi, der
einen beständig in Atem hält und in dem es Schlag auf Schlag
Actionszenen hagelt. Dennoch ist der Roman interessant zu lesen und
lebt vor allem von seiner gegensätzlichen Figurenperspektive. Eine
empfehlenswerte Lektüre für alle, die einmal gefahrlos auf
der Seite des Verbrechers stehen wollen und eine zügig, konsequent
vorangetriebene und rational sowie scheinbar emotionslos erzählte
Geschichte bevorzugen.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
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