"Die
Ruhe vor dem Sturm" von Helena Brink
Kasja Linder hat sich wieder einmal durchgesetzt. Einen
alten, seit Jahrzehnten nicht mehr bewohnten Hof zu kaufen, ist entweder
sehr mutig oder schlicht verrückt. Aber nachdem sie ihn schon mehrfach
als Ferienwohnung genutzt hatten und von seiner Lage begeistert waren,
kann auch Kasjas Mann Olle nicht widerstehen, als er zum Verkauf angeboten
wird. Bei den ersten Renovierungsarbeiten findet Kasja heraus, dass
ihr Sohn die Ferien davor ein Tagebuch im Haus entdeckt hat, das offenbar
vor über 25 Jahren ein seinerzeit 18-jähriges Mädchen
versteckt hatte. Kasja liest es von vorne bis hinten durch - natürlich
nur, um eventuell seine Besitzerin ausfindig machen zu können.
Und um Antworten auf so manche Frage zu erhalten. Einen Zusammenhang
mit der alsbald wegen der Arbeiten am Haus entdeckten alten Moorleiche
gibt es wohl nicht, aber mit der nächsten und übernächsten
Leiche womöglich doch. Und am Ende ist auch Kasjas Leben nicht
mehr sicher ...
Nach "Der leiseste Verdacht" liegt nun auch
"Die Ruhe vor dem Sturm" vor. Beide Romane haben ein schwedisches
Schriftstellerehepaar geschrieben, die unter dem Pseudonym Helena Brink
auftreten. Nicht nur die wegen der ausgegrabenen Leichen hinzugezogenen
professionellen Ermittler Roffe Stenberg und Lennart Roos, auch ein
Großteil der übrigen Handlungsträger waren schon im
ersten Roman vertreten. Lebte der vor allem von seiner atmosphärischen
Dichte, kommt dem neuen, der unerklärlicherweise erst sechs Jahre
nach Erscheinen des Originals nun in einer ausgezeichnet flüssigen
Übersetzung vorliegt, darüber hinaus auch die höhere
Drehzahl spannungsgeladener Momente zugute. Die Geschehnisse in Gegenwart
und Vergangenheit ergeben wahrlich labyrinthische Verwicklungen, doch
der Leser verliert dank des geschickt inszenierten Aufbaus nie die Übersicht,
um am Ende dennoch eine sehr überraschende Auflösung präsentiert
zu bekommen. Die einzelnen Charaktere sind überzeugend und die
"Helden" keineswegs auf die Rolle unfehlbarer dei ex machina
reduziert. So entsteht ein mitreißendes Sittenbild voll tragischer
Abgründe, das aber im Gegensatz zu Mankells Wallander auch noch
der situationskomischen Kehrseite Raum lässt.
Helena Brinks Romane bilden somit sehr eigene, äußerst beachtenswerte
Farben auf der so reichhaltigen Palette schwedischer Kriminalautoren!
Vielen Dank an Ulrich Karger
©
Januar 2007 buechernachlese
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