Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Buch der Autorin Helena von Zweigbergk.
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Gebundene Ausgabe
288 Seiten
Krüger Verlag
Erscheinungsdatum:
April 2004
ISBN: 3810526304
Übersetzung:
Dagmar Lendt
Originaltitel:
"Det Gud inte sag"
Kurzbeschreibung

Gun Johannsson sitzt im Gefängnis. Ihre Mitgefangenen verabscheuen sie. Wie kann sie nur behaupten, dass sie unschuldig ist? Sie hat doch ihre zwei Nachbarn brutal erschlagen. Nur zu Ingrid, der Gefängnispfarrerin, fasst Gun Vertrauen, und erzählt ihr die unglaubliche Geschichte ihres Lebens. Ingrid ermittelt auf eigene Faust und muss dabei selbst um ihr Leben fürchten. Und um ihren Glauben, denn die Wahrheit, die nach und nach ans Tageslicht kommt, ist jenseits aller religiösen und mitmenschlichen Vorstellungen. Ein fesselnder und psychologisch tiefgehender Roman über eiskalte Hände, die zu wärmen vorgeben.

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Leseprobe

Kapitel 1

Draußen vor meinem Fenster liegt der Schnee wie eine alles erstickende Decke. Er sieht weich und schön aus, doch ich weiß, wie kalt er ist. Ansehen, aber nicht anfassen. Betrachten, aber nicht teilnehmen.
Herr, ich habe solche Angst. Mehr als je zuvor. Ich suche, aber ich finde nicht mehr.
Dabei ist Angst kein neues Gefühl für mich.
Ich glaube sogar, dass ich Pastorin wurde, weil ich so schreckliche Angst vor Menschen habe.
Angst vor beinahe allem.
Am allermeisten ängstigt mich die Unbegreiflichkeit des Lebens. Dass womöglich nirgends ein Sinn dahinter steht. Dass alles vielleicht nur Einsamkeit und Leere ist. Sinnlose Illusion. Ich könnte verrückt werden, wenn ich daran denke.
Schon als Kind haben mich solche Grübeleien hartnäckig verfolgt. Die Gedanken hielten mich abends wach, während die Schatten an den Wänden hochkrochen und immer bedrohlicher wurden. Warum?, dachte ich. Und auf ein Warum folgte sofort ein neues Warum, bis ich am Ende in der festen Gewissheit gefangen war: Eigentlich weiß es niemand.
Als ich klein war, habe ich nie verstanden, wie die Erwachsenen manche Dinge so leicht abtun können, wie sie mit den Schultern zucken und sagen können, so etwas passiert eben und keiner weiß, warum. Als sei es völlig in Ordnung, Dinge nicht zu verstehen, keine Erklärung zu haben, an die man sich halten kann.
Grüble nicht so viel darüber nach, Kind, sagte meine Mutter, als mir nicht in den Kopf wollte, wie das Leben so hart, ungerecht und launisch zuschlagen kann.
Dieses träge Hinnehmen der Unbegreiflichkeit des Lebens ängstigte mich zum Verrücktwerden. Mehr noch als das Böse selbst. Das Böse stellte ich mir als ein Ungeheuer vor, das die meiste Zeit in einem Käfig gefangen ist. Damit konnte ich leben. Aber dass derjenige, der den Käfig bewacht, offenbar keine klaren Regeln kennt, oder dass man sich vielleicht grundsätzlich nicht auf ihn verlassen kann, das war mehr, als ich verkraften konnte.

  Helena von Zweigbergk bei schwedenkrimi.de
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Rezension

Es schneit immer noch. Ich sehe, wie jemand aus der Folkungagata kommend den Hang heraufstapft und in die Erstagata einbiegt, in meine Straße. Es scheint glatt zu sein. Mühsam, sich auf den Beinen zu halten.
Für mich war es auch immer mühsam, mich auf den Beinen zu halten.
Wir sprachen zu Hause nie über Gott oder Jesus. Weder meine Mutter noch mein Vater sind gläubig. Was ich lernte, hatte ich aus der Schule. Ich liebte die Geschichten aus der Bibel, die meine Lehrerin erzählte. Weil sie nämlich eine Bedeutung hatten. Sie ergaben einen Sinn. Eine Ordnung.
Als ich zehn Jahre alt war, begann ich heftig zu glauben, ohne jemandem davon zu erzählen. Ich zeichnete einen alten Mann mit Flügeln und einem langen Bart. Schnitt ihn aus und trug ihn dauernd mit mir herum.
Einen Mann aus Papier, zunehmend verknitterter und abgegriffener, den ich Gott nannte. Damals fing ich an, mit dir zu sprechen, Herr. Stumm sagte ich jeden Abend im Bett meine Gebete auf.
Ich hatte strenge Rituale, wie das vor sich zu gehen hatte. Die Worte mussten nach einem bestimmten Muster gesprochen werden, sonst wären sie wirkungslos gewesen.
Zeitweise war es richtig anstrengend. Wenn ich besonders große Furcht hatte, dass mir oder dem Rest der Familie etwas
Schreckliches zustoßen könnte, zwang ich mich dazu, soundso oft das Vaterunser zu beten. An bestimmten Stellen flocht ich persönliche Bitten ein.
Lieber Gott, mach, dass es keinen Krieg gibt. Vater im Himmel, mach, dass niemand von uns gefoltert wird. Lass Mama ein bisschen fröhlicher sein. Mach, dass sie lacht, wenn Papa sich Mühe gibt, witzig zu sein. Mach, dass Papa ein bisschen witziger ist. Lieber Gott, mach, dass sie sich nicht scheiden lassen.
Wenn ich unterbrochen wurde, weil ein Flugzeug am Himmel vorbeizog oder ein anderes Geräusch die abendliche Stille störte, musste ich wieder ganz von vorn anfangen. Dachte wohl, dass bisher keiner zugehört hätte. Oft war ich vor Erschöpfung den Tränen nahe, wenn ich endlich fertig war. Im Haus war es dann ganz still geworden.
Keiner durfte etwas davon wissen. Meine Mutter hätte sich nur Sorgen gemacht. Mein Vater hätte es als Spinnerei abgetan. Mein Bruder hätte mich damit aufgezogen.
Mein Bruder, der in seinem Bett am anderen Ende des Zimmers lag, atmete tief und sorglos unter seinen Postern mit Fußballhelden und Rockstars.
Ich war die Einzige, die wachte.
Ich war die Einzige, die versuchte, das Schlimme von uns fern zu halten.
Auf eine Art hast du, Herr, mich noch einsamer gemacht, als ich es ohnehin schon war. Auf eine andere Art war ich nicht länger allein mit dem Unbegreiflichen.
Wie es kam, dass es im Laufe der Jahre nachließ, weiß ich nicht mehr genau. Die Unruhe war weiterhin da, aber ich gewöhnte mich wohl daran, nehme ich an. Versuchte, die Ängste auf Abstand zu halten, anstatt sie zu kontrollieren. Es war wie eine Gnade, dass es mir fast gelang. Ich meisterte mein Dasein, ohne mich allzu anstrengenden Ritualen zu unterwerfen. Es vergingen viele Jahre, die ganze Teenagerzeit ging vorbei, ohne dass ich deine Hand suchte, um mich daran festzuhalten.
Ich erinnere mich genau an den Moment, in dem ich beschloss, dich wieder zu suchen. Da war ich bereits eine erwachsene Frau. Hatte das Gymnasium mit guten Zeugnissen hinter mich gebracht. War zu Hause ausgezogen, hatte das verschlafene Avesta verlassen, wo ich aufgewachsen war. Studierte Literaturwissenschaft an der Universität in Stockholm und lebte mein eigenes Leben. War in mein Einzimmerappartement in Söder gezogen, in dem ich heute noch wohne. Hatte Kommilitonen, mit denen ich nach den Vorlesungen im Cafe saß.
Und ich hatte einen Mann geliebt.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Oder glaubte, einen Mann geliebt zu haben.
Micke und ich gaben uns wirklich Mühe. Keiner von uns hatte eine vernünftige Erklärung dafür, warum wir nicht zusammen das Glück erlebten, von dem wir so viel gehört hatten.
Wir imitierten die Liebe, sagten das, was von Verliebten erwartet wurde, und kaschierten unsere Verwirrung und Ratlosigkeit, so gut es ging.
Nachts, wenn die Dunkelheit uns von unseren öffentlichen Rollen befreite, konnten wir durchaus Lust und sinnliche Nähe empfinden. Aber am nächsten Morgen sah ich dann am Frühstückstisch einen Mann vor mir, der sein Müsli in sich hineinschaufelte und sich dabei gleichzeitig auf eine entsetzlich abstoßende Weise räusperte.
Micke war ein guter Mensch, aber was ich vor allem an ihm wahrnahm, war sein widerliches Räuspern. Unter anderem. Ebenso seine penibel geputzten Schuhe. Dass seine Wangen so schuppig aussahen, wenn er sich rasiert hatte. Dass er vor dem ersten Schluck zwanzigmal in seine Teetasse blies. Ich hätte schreien mögen, dass der Tee doch gar nicht so schrecklich heiß sein könne.
Es gab noch mehr von diesen störenden Kleinigkeiten. Ich verurteilte mich hart dafür, dass ich mich an ihnen stieß.
Andererseits phantasierte ich manchmal davon, wie geschmeidig und glatt sich wohl der Rücken eines wildfremden Mannes anfühlen mochte. Oder schlimmer noch - eines Mannes, den ich überhaupt nicht respektierte, den ich nicht mal sympathisch fand. Wie gierig seine Hände über meine Haut glitten und wie sehr es mir gefiele, dass er mich fest und rücksichtslos anpackte. Micke war ja so behutsam. In meiner Phantasie stopfte ich ihm mit wütenden Fingern seine Behutsamkeit in den Hals.
Das schien mir alles völlig unlogisch zu sein, und es erschreckte mich.
Ich konnte mich nicht mit Micke abfinden, konnte für ihn nicht fühlen, was ich hätte fühlen sollen. Ich glaube, letztlich haben wir uns getrennt, um nicht länger unsere eigene Einsamkeit in den Augen des anderen sehen zu müssen. Es war nur noch eine Qual.
Was er dachte und wie er fühlte, weiß ich natürlich nicht mit Sicherheit. Wir sprachen ganz vernünftig über unsere Unreife als Erklärung für unser ausgebliebenes Liebesglück und waren uns überhaupt ganz beflissen einig bei unserer einvernehmlichen Trennung. Lobten und priesen unsere gute Freundschaft, die sich nur noch mehr festigen würde, jetzt, da wir alle romantischen Ambitionen aufgegeben hatten.
Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah. Ich habe seitdem nie wieder etwas von ihm gehört.
Obwohl es nicht der abgerissene Kontakt war, der mich danach mehr als ein Jahr lang ungeheuer deprimiert sein ließ. Es war eher so, dass mir die Liebe sinnlos und armselig vorkam.
Ich versuchte mich damit zu trösten, dass die Liebe sicher groß und mächtig gewesen war und dass unsere Beziehung durch unsere eigene Schuld in die Brüche gegangen war. Dass er versagt hatte, dass ich versagt hatte, dass der Fehler allein bei uns lag.
Obwohl, wenn ich mich umsah, gab es so wenig an Vertrauen und guten Kräften in der Sphäre, in der die Liebe zu Hause sein sollte.

Danke an den Krüger Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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