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Der klassische Detektiv- oder Whodunnit-Krimi ist tot, es lebe der Whodunnit-Krimi!? Nein, so einfach ist es leider nicht, auch wenn die Autorin Anne Holt heißt und mit zahlreichen Kriminalromanen bewiesen hat, dass sie zu den ganz Großen des Genres zu zählen ist. Ihren neuesten Coup, „Der norwegische Gast“, feiert der deutsche Verlag der norwegischen Autorin als „ebenso spannende wie charmante Verbeugung vor den Klassikern des Kriminalromans“, und in ihrer Widmung tituliert Anne Holt diesen Roman selbst als ein „Spiel“, doch selbst mit Wohlwollen und Sympathie für die Autorin gelesen, nimmt sich „Der norwegische Gast“ schlicht antiquiert und anachronistisch aus.
In einer Konstellation, die an Agatha Christies „Zehn kleine Negerlein“ oder „Mord im Orientexpress“ erinnert, gerät die nunmehr querschnittsgelähmte Hanne Wilhelmsen auf einer Zugfahrt von Oslo nach Bergen in einen Schneesturm. Der Zug verunglückt, alle Passagiere werden evakuiert und ins nahe gelegene Hotel „Finse 1222“ gebracht. Zunächst drehen sich viele Gespräche um den zusätzlichen Waggon des Zuges und die Wachen, die einen Trakt des Hotels mit Schusswaffen bewachen. Ist die königliche Familie an Bord? Ein Terrorist? Doch dann geschieht ein Mord und alles Interesse richtet sich darauf (Das ist auch besser, denn dieser Erzählstrang ist überflüssig wie ein Kropf). Et voilà! Das Setting für den klassischen Kriminalroman à la Agatha Christie steht: Es gibt mit den Zugpassagieren einen geschlossenen Kreis der Figuren, darunter der Mörder, sowie die notwendige Isolation der Gruppe der Verdächtigen und Nicht-Ermittelnden durch den Schneesturm. Hanne Wilhelmsen, inzwischen noch zynischer und misanthropischer geworden als zuvor, wird zur klassischen Detektivfigur. Als ehemalige Polizeikommissarin kommt ihr ganz natürlich die Rolle der analytischen Instanz und des kongenialen Detektivs zu. Ihr zur Seite stehen, wie einst Mister Stringer Miss Marple oder Watson Sherlock Holmes, eine kleine Gruppe weiterer Ermittler beziehungsweise Vertrauter. Hier sind es die Hoteldirektorin Berit Tverre, der kurzwüchsige und kauzige Arzt Magnus Streng sowie der Rechtsanwalt und „Bergmensch“ Geir Rugholmen. Durch Beobachtung und – zum Ende hin, es geht bei dieser Anordnung nicht anders, kongenialer werdenden – Deduktion löst Hanne Wilhelmsen den Fall schließlich. So haftet der Überführung des Täters etwas Schematisches und Artifizielles an – ganz wie man es von den Klassikern kennt.
Logisch also, dass „Der norwegische Gast“ dem – verwöhnten – Leser und Kenner moderner Krimis weder einen ästhetischen noch intellektuellen Reiz bietet, auch wenn Anne Holt natürlich eine sehr gute Schriftstellerin ist und bleibt, wie es sich in der Charakterisierung und dem Verhalten Hanne Wilhelmsens beispielsweise widerspiegelt. (Irritierend höchstens, dass – zum Teil mehrfach während ein und desselben Dialogs! – zwischen dem skandinavischen „Du“ und dem deutschen „Sie“ gewechselt wird und aus Magnus Streng ein Mal Magnus Berg wird. Doch zumindest das sind Fehler, die man nicht der Autorin anlasten kann.) Auch der an den Klassikern angelehnte Aufbau des Romans ist sauber, es gibt nichts zu mäkeln – wenn man einen Whodunnit-Krimi à la Agatha Christie lesen will, doch wollte man nicht lieber einen neuen Hanne-Wilhelmsen-Krimi von Anne Holt lesen? Ja, „Der norwegische Gast“ ist ein Spiel mit dem Genre, das man wohl nicht allzu ernst nehmen sollte, wie Anne Holt in ihrer Widmung an ihre Tochter Iohanne deutlich macht, meinetwegen auch eine „Verbeugung vor den Klassikern“, hinterlässt aber nach Beendigung der Lektüre nicht mehr als ein achselzuckendes „Nett, muss man aber nicht gelesen haben-“ Gefühl, und das ist schon ein bisschen schade. Für Hanne Wilhelmsen. Für Anne Holt. Und auch für ihre Leser.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© November 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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Anne Holt wagt in ihrem neuen Roman „Der norwegische Gast“ eine andere Erzählperspektive als in ihren letzten Romanen. Hier lässt sie Hanne Wilhelmsen erzählen, die gleichzeitig Opfer eines Zugunglücks und private Ermittlerin in einem darauffolgenden Mord wird. Diese Perspektive birgt Risiken, insbesondere für einen Kriminalroman, ist doch die Erforschung von Tathergang und Motiven meist Polizeigruppen vorbehalten. Deswegen schart Anne Holt ein paar Menschen um Hanne Wilhelmsen, die wie eine Ermittlertruppe wirken, obwohl es sich lediglich um einen Arzt, die Hotelbesitzerin und einen helfenden Mann aus der Umgebung handelt. Dennoch helfen ihre Gespräche Hanne bei der Lösung der Morde.
Nach dem Zugunglück inmitten der norwegischen Berge werden alle Passagiere in ein nahe gelegenes Hotel gebracht. Da der Schneesturm, der für das Unglück verantwortlich war, weitertobt, sind die Menschen dort quasi gefangen. Und dies ist der Auftakt für Anne Holts fast schon klassisch anmutendes Kammerspiel. Es gibt eine begrenzte Zahl von Menschen, einen Ort und eine überschaubare Zeit von ein paar Tagen. Nach dem ersten Mord an einem Pastor ist sich Hanne Wilhelmsen deswegen auch sicher, dass der Fall schnell gelöst wird. In Ermangelung von Polizisten findet sich schnell eine kleine Gruppe, die mit Hanne zusammen das Ruder in die Hand nimmt. Doch dann geschieht ein zweiter Mord und Panik droht auszubrechen. Als Leser spürt man die Beklemmung, die immer weiter zunimmt je weiter der Sturm tobt und je weiter sich die Schneemassen auftürmen. So fungiert das Wetter beinah allegorisch, als Sinnbild also für den bedrückenden Zustand im Hotel.
Neben diesem an sich schon ausreichend spannenden Handlungsstrang, bringt Anne Holt noch einen weitere Handlung ins Spiel, die mitunter etwas aufgesetzt wirkt. Eine geheime Gruppe von Menschen (sind es Polizisten, die einen Terroristen gefangen halten; ist es die königliche Familie?) ist in einem Seitentrakt des Hotels untergebracht. So soll womöglich noch mehr Spannung aufgebaut werden, die der Roman an sich nicht benötigt.
Denn er hat Hanne Wilhelmsen. Zum Glück, denkt sich der versierte Anne-Holt-Leser, denn zuletzt kam sie nur am Rande vor („Die Präsidentin“). Seit sie querschnittsgelähmt ist, hat sie sich aus dem Polizeidienst verabschiedet und lebt nur noch als Privatperson. Dass sie in diesen Fall hineinschlingert, ist ein geschickter Schachzug um Hanne Wilhelmsen zurück ins Ermittlerleben zu führen. Und sie ist besser denn je. Sie beobachtet exakt, kommentiert zynisch und hat dennoch ein tiefes Gespür für die Menschen und ihre Nöte. Überdies gewährt Anne Holt dem Leser Einblick in Hannes Seelenleben, ihre Einsamkeit und ihre Misanthropie, die sie sich wie einen Schutzschild zugelegt hat. Insofern ist „Der norwegische Gast“ nicht nur ein klassischer Kriminalroman, sondern ein feinsinniges Psychogramm einer intelligenten und starken Frau.
Am Ende löst sie den Fall durch wiederum klassische Deduktion, im Beisein der Polizei, die dabei lediglich zum Zuschauer degradiert wird.
Man kann nur hoffen, dass die Privatperson Hanne Wilhelmsen damit wieder zur vollwertigen Ermittlerin Hanne Wilhelmsen wird.
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Am 4. November 2008 hat Amerika gewählt: Barack Obama, den ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika. Dass Hillary Clinton nicht die erste amerikanische PräsidentIN werden würde, war seit Sommer des Jahres bekannt. In ihrem auf Deutsch 2007 erschienenem Buch „Die Präsidentin“ hat Anne Holt aber ihrer Zeit vorgegriffen und Helen Lahrdal Bentley zur ersten Frau in diesem wichtigen Amt gemacht. Ihr erster Staatsbesuch führt Madam President dabei nach Norwegen, dem Land ihrer Vorfahren. Doch zum verabredeten Empfang auf dem Osloer Schloss erscheint sie nicht. Bald ist klar: Die Präsidentin ist entführt worden.
Natürlich ruft das sofort FBI und CIA auf den Plan, doch auch die norwegische Polizei nimmt die Ermittlungen auf. Warren Scifford, der zu einem engen, persönlich ausgesuchten Beraterkreis der Präsidentin gehört und eine Vergangenheit beim FBI hat, soll als Mittler zwischen den norwegischen und den amerikanischen Behörden fungieren. Als Verbindungs- und Kontaktmann auf norwegischer Seite wünscht er sich – ausgerechnet – Yngvar Stubø, der mit Inger Johanne verheiratet ist, die Scifford aus ihrer Zeit des Studiums in den USA kennt und mit dem sie eine ungeklärte Vergangenheit verbindet, über die Inger Johanne sehr zum Verdruss ihres Mannes Yngvar Stubø nicht mit ihm sprechen will. Keine guten Voraussetzungen also für eine gute Zusammenarbeit zwischen Stubø und Scifford. Überhaupt machen die Amerikaner ja was sie wollen, aber wer hätte das anders erwartet?
Doch die Ermittlungen gestalten sich nicht nur zwischenmenschlich schwierig. Auch was die konkrete Aufklärungsarbeit angeht, tappen FBI, CIA sowie die norwegische Polizei lange im Dunkeln. Gefasst werden allenfalls kleine Diebe und Gauner wie Gerhard Skøder, die nur eine untergeordnete und sehr unwissende Rolle in diesem internationalen Puzzlespiel spielen und nicht wirklich zur Aufklärung des Falls beitragen können. Der Leser weiß derweil etwas mehr. In einer Parallelhandlung wird von Helen Lahrdal Bentleys ehemaligem Studienfreund Al Muffet, seinem Bruder Fayed und dem Saudi Abdallah al-Rahman erzählt, sodass sich peu à peu herauskristallisiert, wer tatsächlich hinter der Entführung der Präsidentin steht und aus welchem Grund. Doch wirklich spannend ist das alles nicht. Vielmehr fragt man sich während der Lektüre mehr und mehr, welcher Teufel Anne Holt geritten hat, als sie diesen Roman verfasste.
Als Polit-Thriller ist „Die Präsidentin“ jedenfalls misslungen. Zwar sind alle Ingredienzien eines Polit-Thrillers vorhanden, doch gelingt es der doch sonst so renommierten Autorin nicht, die Zutaten zum richtigen Mix zusammenzuführen. Hier bleibt Anne Holt zu oberflächlich, geht zu wenig auf die verschiedenen Theorien und Kompetenzgerangeleien der unterschiedlichen Organisationen ein, bietet zu wenig Konspiration, um wirklich fesseln zu können. Die berühmt-berüchtigte Frage aus dem Deutsch-Unterricht „Was will der Autor uns sagen?“ drängt sich permanent auf. Will Anne Holt uns etwas über den Zustand der norwegischen Gesellschaft erzählen so wie es Henning Mankell mit Kurt Wallander machte? Hier finden sich bekannte Statements: „Weil Norwegen sicher ist. Haben wir gedacht. Seht uns an.“ (…) „Das gute alte Norwegen (…) Die Welt ist dichter an uns herangerückt, das sagen wir immer wieder, während wir gleichzeitig zutiefst beleidigt sind, wenn dieselbe Welt uns nicht genauso sieht, wie wir uns immer gesehen haben: Wir sind ein idyllischer Fleck auf der Landkarte. Eine friedliche Ecke der Welt, reich und großzügig und lieb zu allen.“ (Anne Holt, Die Präsidentin, Piper, München 2007: S.60) Oder handelt es sich bei „Die Präsidentin“ vielmehr um Anne Holts Erklärung der großpolitischen Wetterlage nach dem 11. September 2001 und ihrem persönlichen politischen Manifest? (vgl. Anne Holt, Die Präsidentin, Piper, München 2007: S. 203 – 205 und S. 287 – 293) So oder so. Das Buch wirkt merkwürdig unkohärent und unentschlossen. Schließlich kann nur noch Kommissar Zufall zur Auflösung des Falls beitragen, und auch das zeigt, in welche Sackgasse sich die Autorin bis dahin manövriert hat. An dieser Stelle taucht übrigens auch Hanne Wilhelmsen wieder auf, aber das macht die Sache nicht besser. Im Gegenteil. Nun wirkt die Story vollends abstrus, unglaubwürdig und extrem konstruiert. Die hinter der Entführung der Präsidentin liegende Verschwörung verpufft genauso leise und stiekum wie die ganze Geschichte lau ihrem Ende entgegenplätschert – leider keine große Krimikunst! Von Anne Holt ist man wesentlich mehr Spannung, mehr Tiefgang und mehr psychologische Kompetenz gewohnt.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© November 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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Filme für Leseratten
Ungewöhnliche Kameraführung und Sehperspektiven verursachen
Übelkeit - und sind doch bedenkenswert. Jedenfalls für Leseratten.
Film- und Technikfans dürften dagegen kaum auf ihre Kosten kommen.
Die Verfilmungen von Anne Holts Romanen "Blinde Göttin"
und "Selig sind die Dürstenden" überzeugten mich
vor allem in der Auswahl ihrer Hauptdarsteller. Ob Hanne Wilhelmsen
selbst, Billy T., Cecilie, Håkon Sand oder Karen Borg - die Charaktere
sind so besetzt, wie ich sie mir nach der Lektüre vorgestellt habe.
Das schafft eine angenehme Vertrautheit mit Wiedererkennungswert. Auch
an der Umsetzung der Geschichten gibt es nichts zu mäkeln. "Justitia"
und "Rache für meine Tochter" sind solide erzählte
TV-Krimis, die ein paar spannende Stunden versprechen. Einzig die Kamera
in "Justitia", die jeder Bewegung, jedem Kopfnicken der Schauspieler
folgt (der skandinavische Dogmafilm der 90er Jahre lässt grüßen),
hat mir Schwindelgefühle verursacht. Die abrupten Perspektivwechsel
gepaart mit schnellen Schnitten irritieren beim Fernsehen und verursachen
ganz konkret Übelkeit.
Buchtipp |
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Etwas zurückhaltender was die Kameraführung angeht, agiert
Regisseur Carl Jorgen Kiønig dann in "Rache für meine
Tochter" - Übelkeit hat hier höchstens der brutale Auftakt
des Films verursacht. Drei Paare, drei Mal Sexualverkehr, doch nur zwei
Mal geschieht er freiwillig. Beim dritten Sexualakt handelt es sich
um die brutale Vergewaltigung der jungen Studentin Kristine. Während
der Vergewaltigung zoomt die Kamera immer wieder auf Familienfotos von
Kristine. Das und die parallele Szenenführung erzeugen eine absolut
überzeugende und dichte Bildsprache, die mehr sagt als jede verbale
Verurteilung der Vergewaltigung. Die gezeigte Brutalität und Gewalt
in "Rache für meine Tochter" widerspricht sicher deutschen
Sehgewohnheiten, aber gerade deshalb lohnt ein Blick über den -
deutschen - Tellerrand, denn Gewalt wird hier niemals um ihrer selbst
willen gezeigt, sondern ist zur Bildsprache verdichtetes politisches
Statement. Das macht die Verfilmungen nun wieder unverkennbar skandinavisch
- in einem positiven Sinn.
Technisch allerdings können beide DVDs nicht überzeugen. Ton
und Bild sind nur Mittelmaß und auch die Extras verdienen ihren
Namen kaum. Wer jedoch originär nicht aus der Technik- und Filmfraktion
kommt, sondern als Krimi- und/oder Anne-Holt-Fan an der filmischen Umsetzung
der Romane interessiert ist, sollte sich in jedem Fall selbst ein Bild
verschaffen. Lohnenswert ist der Blick auf die andere Perspektive unserer
skandinavischen Nachbarn durchaus, eröffnen sich doch durch die
divergierende Bildsprache und Sichtweise auf die den Verbrechen impliziten
gesellschaftlichen Probleme interessante Denkanstöße.
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Inger Johanne Vik und ihr Mann Yngvar Stubø
sind im Elternurlaub, als der populären Talkmasterin Fiona Helle
die Zunge abgetrennt und gespalten wird. Es folgen weitere Ritualmorde.
Vibeke Heinerback, Führerin einer rechtspopulistischen Partei,
hängt gekreuzigt an ihrer Schlafzimmerwand, Vegard Krogh, ein leidlich
erfolgreicher Poet, wird mit einem Kugelschreiber im Auge ermordet aufgefunden
und Håvard Stefansen, ehemals erfolgreicher Ski-Biathlet, als
Zielscheibe zurecht gemacht in seinem eigenen kleinen Wohnungsschießstand.
Während sich Yngvar Stubø nach anfänglichem Zögern
höchst offiziell mit dem Fall beschäftigt, bleibt seine Frau
Inger Johanne zu Hause bei der acht Tage alten Tochter Ragnhild. Dabei
leidet sie, die bereits eine leicht autistisch veranlagte Tochter aus
erster Ehe hat, an post-natalen Schlafstörungen und Ängsten,
dass auch mit Ragnhild etwas nicht in Ordnung sein könnte. So beginnt
sie, sich mit den von Yngvar inoffiziell nach Hause gebrachten Unterlagen
zu den Fällen zu beschäftigen. Inger Johannes Angst wird schließlich
ganz berechtigt größer, als sie - im Gegensatz zur Polizei,
die eine tote Spur nach der nächsten verfolgt - etwas Wichtiges
entdeckt. Die Morde erinnern Inger Johanne an eine Reihe von fünf
Morden in den USA, von denen sie im Rahmen einer Vorlesung an der FBI
Academy gehört hat. Der letzte Ermordete war der Ermittler. Von
nun an fürchtet Inger Johanne, dass sie und ihre kleine Familie
das nächste und letzte Opfer des Mörders werden könnten.
Parallel dazu erzählt Anne Holt die Geschichte aus der Perspektive des Mörders. Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als Jäger und Gejagte voneinander wissen, die Polizei dem Mörder jedoch nichts nachweisen kann. Warum dieser Inger Johanne, ihre Kinder und Yngvar Stubø schließlich verschont, bleibt unklar, und auch das Motiv ist lange Zeit undeutlich. Erst allmählich kristallisiert sich heraus, dass es in dieser Geschichte um einen Menschen geht, der Mord als Extremsport betreibt wie andere das Bungee-Jumping. Es geht um die westliche Dekadenz und Langeweile, die die Menschen dazu treiben, sich in Lebensgefahr zu begeben, um zu spüren, dass sie leben. Es geht um Menschen, die gesehen, wahrgenommen, beachtet und letztlich auch geliebt werden wollen - und die dafür bereit sind, alles zu tun. Mediale Aufmerksamkeit als maximale Bestätigung dafür, (Be-)Achtung zu finden.
Doch Anne Holt zeigt in einem Nebenstrang auch die Kehrseite der Medaille, nämlich dass zuviel ungewollte mediale Aufmerksamkeit ebenfalls in den Tod treiben kann, in den Selbstmord. Im Laufe der Ermittlungen gerät Rudolf Fjord, Parteifreund und Konkurrent Vibekes, ins Visier der Ermittler. Während Yngvar Stubø glaubt, Rudolf Fjord habe Selbstmord begangen, weil er fürchtete von der Polizei als Homosexueller geoutet zu werden, glaubt Kari Mundal, einflussreiche Grande Dame der Partei, sie habe ihn in den Selbstmord getrieben, da sie ihm auf die Schliche gekommen ist, wie er Parteivermögen veruntreut hat. Es ist pure Ironie, dass beide nichts voneinander und den Anschuldigungen des anderen wissen. So spielt Anne Holt subtil mit der doppelten Natur der Wahrheit: nie kennen wir die ganze Wahrheit, selbst wenn wir professionelle polizeiliche Ermittler sind. So wie die Polizei auf der Suche nach dem Mörder ist, ist Anne Holt auf der Suche nach der Wahrheit und treibt ein Verwirrspiel um uneheliche Kinder, versteckte sexuelle Neigungen und Amtsmissbrauch. "Was niemals geschah" (im Original heißt es übrigens "Was niemals geschieht", was den Kern der Erzählung besser trifft) bietet damit spannende Unterhaltung, glaubwürdige und sympathische Charaktere und Anlass, mal wieder über uns selbst, unsere Verletzbarkeit und unseren Umgang miteinander nachzudenken - eine in allen Bedeutungen gute Lektüre!
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth![]() |
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Ein Osloer Herrenhaus wird zum Schauplatz einer erschütternden
Familientragödie. Noch am Tatort sterben der wohlhabende Reeder
Stahlberg, seine Ehefrau und der älteste Sohn an ihren Schusswunden.
Doch wer verbirgt sich hinter der vierten Leiche, die Hauptkommissarin
Hanne Wilhelmsen und Billy T. in der mondänen Wohnung der Stahlbergs
vorfinden? Der Unbekannte trägt keine Papiere bei sich und scheint
zufälliges Opfer eines geplanten Mordes...
Während es privat für Hanne Wilhelmsen langsam
aufwärts geht, ringt sie bei ihren alten Kollegen um Verständnis:
Vor allem ihr Verhältnis zu Billy T. ist seit dem Tod von Cecilie
sehr angespannt. Es erschwert die Lösung des brisanten Falls ebenso
wie das unerklärliche Verhalten ihres neuen Vorgesetzten. Die Ausgestaltung
der persönlichen Beziehungen Hanne Wilhelmsens zu Freunden, Familie
und Vorgesetzten nimmt mindestens ebenso breiten Raum ein wie die Klärung
des Vierfachmordes. Mehr noch: Gefühlt ist der Raum, den Hanne
Wilhelmsens Privatsphäre einnimmt, wesentlich größer
als der der Mordgeschichte, doch stört das überhaupt nicht.
Im Gegenteil. Die Auflösung des Mordes inklusive Polizei-Alltag
wird zwar routiniert und wie bei Anne Holt nicht anders zu erwarten
atmosphärisch authentisch geschildert. Auch führt sie
uns beharrlich vor Augen, wie sehr wir in unseren gewohnten Denkmustern
verharren und damit unangenehme Wahrheiten und Perspektiven verdrängen,
die uns in unserer sicheren Alltagsroutine stören. Doch eigentlich
weiß der gewiefte Krimileser sehr bald, dass Hanne Wilhelmsen
auf der richtigen Spur ist und nicht ihre Kollegen. Wären die Fährten,
die die Kollegen Hanne Wilhelmsens verfolgen, die tatsächliche
Lösung, es wäre kein Krimi aus der Feder Anne Holts! Und erfahrene
Hanne Wilhelmsen-Leser vertrauen ihrer Protagonistin viel zu sehr, als
dass sie sich ins Bockshorn jagen ließen. Allerdings zögert
Anne Holt die Lösung des Falls ziemlich lange hinaus, sodass das
Ende dann doch etwas abrupt kommt und zudem etwas krampfhaft herbeigeführt
wirkt, da die tatsächlichen Zusammenhänge und Hintergründe
der Tat vorher solange negiert und ausgeblendet wurden. Das ist etwas
enttäuschend, doch entschädigen die Passagen, die sich mit
Hanne Wilhelmsen und ihrem Privatleben befassen, wie man überhaupt
den Eindruck gewinnen kann, dass es immer weniger um die eigentliche
Kriminalgeschichte geht als vielmehr um den Charakter Hanne Wilhelmsen.
Dass Hanne Wilhelmsen von Beruf Polizistin ist, scheint eher zufällig
oder auf die Biographie der Autorin zurückzuführen. Doch eigentlich
geht es um die kontinuierliche Persönlichkeitsentwicklung der homosexuellen
Hanne Wilhelmsen. Somit lesen sich Hanne Wilhelmsen Krimis eher wie
ein Entwicklungs-, wie ein Bildungsroman, der das seelisch-geistige
Reifen der Protagonistin in den Mittelpunkt stellt und in dem der Krimiplot
nurmehr als zeitgenössische und leicht konsumierbare Folie dient.
Die Tendenz, Gedanken, Gefühlen und dem Leben des Protagonisten
viel Platz einzuräumen, ist zwar durchaus typisch skandinavisch,
doch scheint sie mir bei Anne Holt aufgrund des einzigartigen Charakters
besonders stark ausgeprägt. Außerdem entwickelt sich ihre
Protagonistin Hanne Wilhelmsen tatsächlich, wo ein Wallander beispielsweise
in Stagnation und ewigem Selbstmitleid verharrt. So wie Sjöwall/Wahlöö
ihren Martin Beck Romanzyklus mit Roman über ein Verbrechen
überschrieben haben, könnte Anne Holts Romanreihe über
Hanne Wilhelmsen den TitelRoman über eine Frau tragen.
Mit Die Wahrheit dahinter hat sie sich nun jedenfalls schlussgültig
vom traditionellen Polizeiroman freigeschrieben. Verstärkt wird
dieser Eindruck durch die Fabel vom einsamen Wolf, der ein
Hund ist und durch Hannes und Nefis Nachbarschaft streunt. Er
figuriert gleichsam als Prolog und Epilog und rahmt die Geschichte dadurch
ein. Welche symbolische Bedeutung er für Hanne Wilhelmsen haben
wird, wird man mit letzter Sicherheit erst im nächsten Band erfahren,
doch deutet sein Tod wie auch die Schussverletzung Hannes zum Finale
darauf hin, dass etwas zu Ende gegangen, dass Hanne vielleicht mit einem
Teil ihres Lebens, ihrer Vergangenheit, zum Abschluss und ins Reine
gekommen ist. Doch sicher ist das nicht. Sicher hingegen ist, dass Anne
Holt mit Die Wahrheit dahinter nun schon zum siebten Mal
einen fesselnden Hanne Wilhelmsen Roman geschrieben hat, jedoch keinen
eigentlichen Kriminal- oder Polizeiroman. Denn am Ende will man unbedingt
wissen, wie es mit Hanne, Nefis und Marry weitergehen wird. Der Mord
hingegen interessiert nur nebenbei.
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"Mea culpa", der erste Liebesroman von Anne
Holt, die durch ihre Kriminalromane bekannt wurde, geht über insgesamt
189 Seiten in 2 Teilen, die jeweils noch in 24 bzw. 20 kurze Kapitel
unterteilt sind. Die Handlung ist im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts
angesiedelt.
Erzählt wird die Geschichte einer intensiven Liebe zweier unterschiedlicher
Frauen, Synne und Rebecca, ganz aus der Sicht Synnes. Das "heute"
Synnes ist in der Ich-Form geschrieben, während Synne ihren Rückblick
auf die vergangenen 8 Jahre in der 3. Person niederschreibt.
Synne, Ende zwanzig, ungebunden, Sachbearbeiterin in einem Ministerium
in Oslo: ein alles in allem recht durchschnittlicher Mensch. Synne verliebt
sich auf den 1. Blick in Rebecca, Mitte vierzig, verheiratet, vier Kinder,
Synnes neue Chefin. Rebecca ist äusserst attraktiv, von allen respektiert,
zum Teil bewundert. Sie ist schön. Sie ist exotisch. Als Synne
Rebecca zum ersten Mal sieht, wird ihre Welt buchstäblich aus den
Angeln gehoben, jedoch denkt sie auch, ganz irdisch, "Mit dieser
Frau will ich ins Bett". Sie verfolgt ihr Ziel hartnäckig
- und erfolgreich. Rebecca ist Synnes grosse Liebe, bisher war sie "mit
der Liebe umgegangen, wie mit Wein oder Schokolade". Rebecca ihrerseits
ist zwiespältig, sie spürt eine intensive Anziehungskraft
Synnes, doch dagegen stehen immer ihre Familie und ihre Erziehung. Sie
macht immer einen Schritt vor, schreckt dann aber zurück.
Synnes Leben tritt nach der Begegnung mit Rebecca in den Hintergrund,
vor allem, nachdem sie eine leidenschaftliche aber versteckte Beziehung
beginnen. Synne vernachlässigt Freunde und Hobbies, um immer für
Rebecca da zu sein, falls diese Zeit für sie hat. (Soweit eine
häufig anzutreffende Situation bei Geliebten von Partnern mit Familie).
Synne und Rebecca erleben in ihrer Beziehung glückliche und leidenschaftliche
Momente und haben gemeinsame Träume, diese sind jedoch immer überlagert
von Schuld und Angst. Nachdem Rebeccas Mann hinter die Beziehung kommt,
zerbricht Rebeccas Ehe. Die Beziehung zu Synne wird etwas offener gelebt
und doch wird Synne nie richtig in die Familie integriert, die Situation
bleibt angespannt, bis es dann zum grossen Knall kommt. Synne wählt
daraufhin die Flucht auf die Insel Mauritius, doch ihre grosse, ihre
einzigartige Liebe beherrscht sie weiterhin und verhindert, dass sie
sich wirklich auf andere Menschen einlassen kann, ihr Leben wieder aufnehmen
kann.
Anne Holt gelingt es mit einer geradlinigen, direkten, "alltagtauglichen",
fast lakonischen Sprache ohne Kitsch und romantische Wendungen, die
Liebe Synnes zu verdeutlichen. Beim lesen konnte ich mich gut hineinversetzen,
auch ohne Bezugspunkt zu "lesbischer Liebe", Bilder und Stimmungen
werden sehr gut vermittelt. Auch die Zerrissenheit Rebeccas und auch
Synnes, die immer wieder mit Schuldgefühlen kämpft, wird gut
herausgearbeitet. Wenn auch Rebeccas Emotionen und Motivationen naturgemäss
in den Hintergrund treten, da Synne die Geschichte erzählt.
Thema des Buches ist Liebe, Verantwortung und Schuld, auch und vor allem
das subjektive Empfinden von Schuld. Anne Holt zeigt, dass ein Leben
(sentwurf) von einem Moment zum anderen umgeworfen werden kann. Und
dass selbst eine grosse, intensive Liebe zerbrechen kann. Sie entlässt
den Leser: nachdenklich, traurig, aber auch mit viel Verständnis.
"Mea culpa" biete keine leichte, seichte Unterhaltung.
Klingt langweilig? Ist es nicht! Der Roman ist kurz, in wenigen Stunden
geschafft, der Leser wird durch die kurzen Kapitel vorangetrieben. Er
wird mit seinen eigenen Vorurteilen konfrontiert, wird aufgefordert,
sich mit "Schuld" auseinander zu setzen und mit einer fiktiven,
doch realistischen Wirklichkeit.
Der Roman wurde vom Orlanda Frauenverlag auf deutsch veröffentlicht,
nachdem der Piper Verlag, der zuletzt die Kriminalromane von Anne Holt
in Deutschland veröffentlichte, kein Interesse an diesem Buch "mit
seiner explizit lesbischen Thematik" hatte. Mein Eindruck ist anders,
die Geschichte würde durchaus auch mit einer heterosexuellen ausserehelichen
Beziehung funktionieren. Allerdings sind die Reaktionen der Umwelt und
auch die Schuldgefühle der Protagonistinnen in dieser Konstellation
stärker. Vielleicht so, wie sie bei heterosexuellen "Ehebrüchen"
noch vor etwa zwei Generationen gewesen wären, als Scheidung noch
undenkbar war.
Ich kann diesen Roman jedem empfehlen, der nach der Inhaltsangabe noch
Lust auf die Lektüre hat. Ich würde jedoch abraten, es nur
aufgrund der Kriminalromane von Anne Holt zu lesen, obwohl selbstverständlich
Stil und Sprache die Schriftstellerin Anne Holt erkennen lassen.
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Hanne Wilhelmsen kehrt zurück - das ist eine gute
Nachricht, nicht nur für uns Leser, sondern auch für das Osloer
Ermittlungsteam, das ohne sie nicht zurechtzukommen scheint.
Gut ein halbes Jahr ist seit dem Tod ihrer Lebensgefährtin vergangen
und der Roman beginnt in einem Kloster in Verona, in dem sich Hanne
seitdem aufhält. Mehr denn je wird Hanne Wilhelmsen als gebrochene,
verzweifelte Frau gezeigt, die doch nach außen hin immer so tough
wirkt. Mehr aus einem Impuls heraus denn aus Überzeugung macht
sie sich auf den Weg zurück nach Oslo und hätte beinahe auf
halbem Weg kehrt gemacht, hätte sie nicht eine Frau getroffen,
mit der sich zaghaft eine neue Beziehung anbahnt.
Am Anfang des Romans wird abwechselnd Hanne Wilhelmsens Weg zurück
nach Oslo sowie der Fall des ermordeten Brede Ziegler geschildert, der
ein wohlhabender und renommierter Restaurantchef war. Hauptkommissar
Billy T. leitet die Ermittlungen, doch Hanne Wilhelmsens Rückkehr
stürzt ihn in eine wirre Gefühlslage, sodass die Ermittlungen
aus den Fugen zu geraten drohen. Die Brisanz liegt für den Leser
auf zweierlei Ebenen: Zum Einen ist man gespannt, wie sich das Verhältnis
zwischen Billy T. und Hanne Wilhelmsen entwickeln wird, zum anderen
ist da ein Fall, der viele Fragen aufwirft. Warum beispielsweise sollte
jemand sein Opfer vergiften, bevor er es mit einem Messerstich tötet?
Wie gelangte der Täter an ein edles japanisches Tranchiermesser?
Die Ermittlungen sind festgefahren, denn Brede Ziegler erscheint als
Chamäleon, das entweder geliebt oder gehasst wurde. Anne Holt legt
viele Spuren und verwirrt den Leser fast so sehr wie die zunehmend konfuse
Ermittlertruppe um Billy T. Da ist zum einen die junge Witwe, die seltsam
auf die Nachricht vom Tode ihres Mannes reagiert. Da sind Brede Zieglers
Mitarbeiter, die sich auffällig verhalten. Und nicht zuletzt gibt
es auch noch die Prostituierte Harrymarry, die am Ende durch einen Zufall
Hanne Wilhelmsen die Lösung serviert.
Was Anne Holts neuen Roman so lesenswert macht, ist ihr Vermögen
selbst Nebenfiguren klare Konturen zu verleihen, von der Sprache Harrymarrys
bis hin zu den Körperausdünstungen von Zieglers Kompagnon.
Des Weiteren erfährt der kriminalistisch interessierte Leser viel
über polizeiliche Ermittlungsarbeit. So werden beispielsweise komplette
Vernehmungsprotokolle aufgeführt. Hierbei liegt der Reiz gerade
in der Reduktion, denn gleichwie die Ermittler bekommt man nur die sogenannten
reinen Fakten geliefert. Zwischen den Zeilen muss man selbst lesen.
Die Lösung des Falls ist nach allerlei Verwirrspielen etwas enttäuschend,
jedoch mit einer kleinen Pointe versehen. Viel wichtiger ist es doch
aber, dass Hanne Wilhelmsen wieder zurück ist und auch ihre Freundschaft
mit Billy T. eine neue Chance bekommt.
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In dieser beklemmenden Geschichte bekommt man schon wirklich feinste Schreibkost geliefert. Der Handlungsstrang samt den erforderlichen Nebenlinien wird so fließend und mitnehmend erzählt, dass es kaum möglich ist, das Lesen zu unterbrechen. Das ausgesprochen ergreifende ist aber meiner Ansicht nach die ausdrucksstarke Klarheit, in welcher die Autorin psychologisch und lebensnah packend die handelnden Charaktere herausarbeitet und aktiv vor Augen führt. So wird nicht nur beschrieben, welche Ereignisse vorgefallen, welche Täter und welche Opfer es gab, sondern Hintergründe und Lebensgeschichten werden offenbar, die einen die Vorgänge nachvollziehen, ja verstehen lassen. Das lässt einen nicht mehr los und führt zu eigenen Rückschlüssen. So ist man beteiligt und partizipiert von der eigenen Einschätzung des Lebens und seinen Widrigkeiten. Schon nach wenigen Kapiteln kennt man die so ganz zufällig zur Mit-Ermittlerin gewordene Wissenschaftlerin, den Hauptkommissar und sein Team - aber eben auch die in die Verbrechen verwickelten Täter. Und selbst eines der Opfer, das kleine Mädchen Emilie, wird einem so nahe, als kennte man sie schon lange aus der direkten Nachbarschaft. Ein fesselnder Thriller für schlaflose Zeiten.
Vielen Dank an Uli Geißler, Freier Journalist und Autor aus Fürth / Bayern![]() |
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In ihrem neuesten Roman schickt Anne Holt ein neues
Ermittlerduo auf die Reise. Da ist zunächst einmal die Psychologin
Inger Johanne Vik, die als Hochschuldozentin tätig ist und ein
geistig zurückgebliebenes Kind hat. Ihr Gegenüber ist der
Hauptkommissar Yngvar Stubo, Mitte vierzig, der durch einen tragischen
Schicksalsschlag Frau und Tochter verloren hat. Er ist ein Ermittler,
der vorwiegend auf seine Intuition setzt, ähnlich einem Kurt Wallander
oder Van Veeteren. Sein Gefühl führt ihn schließlich
zu Inger Vik, denn er sieht sich mit einem Fall von Kindesentführung
konfrontiert, den er nicht auf gewöhnliche Art lösen kann.
Von Inger Vik erhofft er sich psychologischen Beistand, denn sie hat
in den USA Erfahrung als "Profilerin" gesammelt. Es kommt
wie es kommen muss. Obgleich sie sich anfangs dagegen sträubt,
hilft sie Stubo in vielen Gesprächen ein Täterprofil zu erstellen.
Geschickt deutet Anne Holt die zarten Bande an, die sich zwischen den
beiden spinnen. Es ist außerdem die Kombination aus Viks psychologisch-scharfer
Analyse und Stubos eher intuitivem Denken, die ihre Interaktion so reizvoll
macht.
Die Lage spitzt sich zu als in schneller Folge zwei der entführten
Kinder tot aufgefunden werden. Die Todesursache gibt der Polizei Rätsel
auf und auch sonst kommen sie in ihren Ermittlungen nicht voran. Allzu
schnell meint man in einem etwas zurückgebliebenen Mann den Täter
gefunden zu haben. An diesem Beispiel kann man gut sehen, wie die Medien
die öffentliche Meinung lenken, sodass eine Hatz auf Unschuldige
entsteht.
Währenddessen sucht Inger Vik in den USA einen Mann auf, der vor
mehr als vierzig Jahren wahrscheinlich unschuldig wegen Missbrauchs
und Mord an einem Mädchen verurteilt worden war. Verstört
davon, dass nach all den Jahren jemand an seine Unschuld glaubt, zieht
er sich zunächst zurück und Inger Vik kehrt unverrichteter
Dinge heim nach Norwegen. Als er einen unerwarteten Brief aus Norwegen
bekommt, beschließt er schließlich doch zurückzukehren.
Durch überraschende Wendungen bringt Anne Holt diese beiden an
sich separaten Handlungsstränge am Ende zusammen und alles fügt
sich zu einem großen Puzzle. Gewinner gibt es in diesem Roman
keine, schon gar nicht das einzige Mädchen, das die Entführung
überlebt hat. Sie wird auf ewig gezeichnet sein.
Mit "In kalter Absicht" ist Anne Holt wieder einmal ein Glanzstück
gelungen, das von ihrem Einblick in politische Skrupellosigkeit und
menschliche Psyche profitiert. Nicht zuletzt versteht sie es Charaktere
zu zeichnen, die neugierig machen, von denen man mehr erfahren möchte.
Hoffentlich lässt sie uns nicht allzu lange warten.
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Ein neuer, rabiat eingeführter Fall für die
ermittelnde Kommissarin Hanne Wilhelmsen: Sagt der Oberstaatsanwalt
Halvorsrud, geschockt neben seiner geköpften Frau aufgefunden,
die Wahrheit? Und wie kann dieser Stale Salvesen, ein gescheiterter
Geschäftsmann, der Mörder sein, wenn seine Leiche wenig danach
im Meer treibend aufgefunden wird?
"Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten"
- das achte Gebot bildet ein weitertreibendes Motiv, wenn nicht den
Dreh- und Angelpunkt eines Kriminalromans und zugleich Sittenbilds.
Während sich die Handlung, forciert durch unerwartete Wendungen,
rasch weiterschraubt, läßt es sich trefflich in den dichten
und präzisen atmosphärischen Schilderungen von Räumen
und Situationen schwelgen. Das Themenarsenal - Mord, Unzucht mit Minderjährigen,
Wirtschaftskriminalität, Erpressung - ist weit gestreut. Faszinierend
und unerwartet kommt die Demontage der "Heldin". Denn in die
heile Berufswelt der Osloer Hauptkommissarin bricht fatal die Nachricht
von der lebensbedrohenden Krebsdiagnose ihrer Lebensgefährtin.
Das Verschweigen dieser Beziehung, auch aus Furcht vor sozialer Ächtung,
bildet eine zweite Ebene des Romans. Während Hanne Wilhelmsen so
ins Mark getroffen wird, findet sie spielend die überraschende
Lösung des verworrenen Knäuels aus Vortäuschungen und
kann falsch gelegten Fährten auf den Grund gehen.
Dieser im Norwegischen mit "Dod joker" betitelte Roman der
Journalistin und ehemaligen Justizministerin Anne Holt handelt auch
von der verhängnisvollen Verdrängung der Intimsphäre.
Die Verleugnung des eigenen Selbst zeigt, daß die Untugend der
Lüge keineswegs nur dem Verbrechen anhaftet. Eine Botschaft, wohl
persönliches Anliegen der begabten Autorin, die mit ihrem Outing
lange gezögert hatte und zuletzt ihr Zusammenleben mit der Verlegerin
Tine Kjaer amtlich eintragen ließ. Ein Kriminalroman für
Anspruchsvolle, auch als einer der neuen erfolgreichen Lesbentexte von
großem Interesse.