Während in den letzten Jahren vor allem Autorinnen wie Sara Blædel, Camilla Läckberg, Mari Jungstedt oder Elsebeth Egholm auf sich aufmerksam machten – und von Kritikern wie Schriftstellerkollegen oft abwertend als Vertreterinnen eines „neuen Frauenkrimis“ bezeichnet wurden –, erscheint nun mit der Schwedin Maria Ernestam eine neue Autorin auf der Bildfläche, deren (deutschsprachiges) Debüt „Die Röte der Jungfrau“ an die Romane Karin Fossums und Karin Alvtegens erinnert. Ebenso wie Karin Alvtegen glänzt Maria Ernestams „Die Röte der Jungfrau“ mit der Abwesenheit eines Kommissar – Nicht aber mit einem Verbrechen, das in seiner psychologischen Konstellation kaum brisanter sein könnte: Muttermord.
Die Idylle zerbricht
„Ich war sieben Jahre alt, als ich beschloss, meine Mutter zu töten. Doch musste ich siebzehn werden, bevor der Beschluss in die Tat umgesetzt werden konnte.“ (S.9) Gleich der Auftakt des Romans hat es in sich und nimmt gefangen, und obwohl man nun schon weiß, wer Mörder und wer Opfer ist, bleibt das Wie und Warum lange verborgen. Als Leser nähert man sich dem Kern des Romans gemeinsam mit der Ich-Erzählerin, der 56jährigen Eva. Auslöser, sich ihrer Tat zu erinnern, ist ein Tagebuch, das Eva von ihrer Enkelin Anna-Clara zum Geburtstag geschenkt bekommen hat. Zwei Monate lang (vom 13. Juni bis zum 10. August) begleitet man Eva nun auf ihrer Reise in die Vergangenheit, die die schöne Idylle des hingebungsvoll von ihr gepflegten Rosengartens Stück für Stück entzaubert.
Berührt die Seele
Dabei geht die Autorin ebenso behutsam und mit suggestiver Kraft vor wie auch anspielungsreich (die Ich-Erzählerin heißt Eva, ein Schiff namens „Minerva“ (die jungfräuliche Göttin der Künste) spielt eine Rolle ebenso wie die Rosen, insbesondere die titelgebende Rosensorte „Maiden’s Blush“), ohne dabei jedoch anstrengend zu werden. Vielmehr entsteht ein zart gesponnenes Netz an Beziehungen und Verweisen, die ganz allmählich ahnen lassen, wo – im konkreten wie im übertragenen Sinn – der Hund begraben liegt. Einzig die Figur des John ist in seiner Funktion und traurigen Lebensgeschichte vielleicht etwas zu klischeehaft geraten, doch berührt „Die Röte der Jungfrau“ tief im Inneren, geht es im Grunde doch um ein stets aufs Neue zurückgewiesenes, ungeliebtes Kind und dessen abgrundtiefen Schmerz. So taucht man mit der Ich-Erzählerin in die Abgründe ihrer Seele, ihrer Gefühle ein. Ernestams Sprache ist dabei dem Kern der Geschichte und seinen psychischen Implikationen vollkommen angemessen: Von schlichter Eleganz, mit schönen Bildern und voll leiser, zuweilen schmerzender Poesie. Davon möchte man gerne mehr lesen.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
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