Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Macht und tödliche Konflikte

Die Journalistin Liza Marklund wurde mit ihrem raffinierten Krimidebüt "Olympisches Feuer" zur neuen Kultfigur Schwedens.
Die Autorin Liza Marklund

Liza Marklund

Es ist eine winterkalte Nacht, die Journalistin Annika Bengtzon wird um 3.22 Uhr aus dem Bett geklingelt. Das Stockholmer Olympiastadion ist in die Luft geflogen. Bengtzon, Reporterin und Leiterin des Kriminalressorts bei Stockholms größter Abendzeitung, bekommt in kurzer Zeit heraus, dass es sich um Mord handelt. Christina Furhage, Chefin des Olympischen Organisationskomitees, wurde offenbar durch die Sprengladung in Stücke gerissen. Bengtzons Nachforschungen über die Ermordete zeichnen ein verwirrendes Porträt der Toten: Furhage wurde bewundert, geliebt, gefürchtet, gehasst, sie lebte allein in undurchsichtigen Verhältnissen, agierte clever und kaltblütig im Geschäftsleben, verfügte über Macht und nutzte sie gezielt gegen andere.

Macht, sagt die Schriftstellerin Liza Marklund, 37, interessiere sie außerordentlich. "Dreht sich nicht alles um Macht? Wie man sie bekommt, wie man sie behält, wie man sie nutzt, wie man sie gegen andere verwendet. Macht spielt in allen Beziehungen eine Rolle, beruflich und privat."

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Liza Marklund sieht aus wie das Klischee einer Schwedin: Sie ist groß, blond, schlank, eine schöne, temperamentvolle Frau und neuerdings ein wenig gehetzt, weil sie sich vor Journalisten und Fernsehteams nicht retten kann. Ihr Krimidebüt "Olympisches Feuer" gewann zwei wichtige Preise in Schweden und verkaufte sich seither 550 000-mal, Übersetzungsrechte gingen unter anderem nach Deutschland, Holland, Spanien und Japan*.

Mit der Journalistin Annika hat Marklund eine originelle, sympathische und überaus irdische Heldin geschaffen. Annika ist ehrgeizig und humorvoll, schnauzt ihre Mitarbeiter an, wenn sie nicht spuren, zeigt sich gleichzeitig fähig zu Mitgefühl und Freundschaft, ist Mutter von zwei kleinen Kindern und liebende Frau von Ehemann Thomas.
Als begeisterte Krimileserin schätzt Marklund die Protagonistinnen amerikanischer Kollegen durchaus, Detektivinnen, die sich mit Junk-Food, Jogging und Gelegenheitsliebhabern in Form halten, mit der Knarre in der Hand schlechten Menschen hinterherlaufen und sie gekonnt zur Strecke bringen. Meistens sehen sie dabei tipptopp gepflegt aus und legen Kilometer um Kilometer imgestreckten Galopp zurück,auf Stöckelschuhen, versteht sich.
Eine ähnlich resolute und attraktive Verbrecherjägerin verkörpert Iris Berben in den "Rosa Roth"-TV-Krimis.

"Die meisten Frauen, die ich kenne, leben anders", sagt Marklund. "Wir haben Ehemänner, Kinder, einen stressigen Job, wir arbeiten zu viel, essen zu wenig, wir wünschen uns immerzu mehr Zeit, für uns, für den Liebsten, für die Kinder, für Sex." Dementsprechend hetzt Reporterin Annika zwischen Kindergarten, Redaktion und Wohnung hin und her, gebeutelt von Schuldgefühlen und obendrein entnervt, weil sie nicht einmal Zeit findet, sich die Haare zu waschen.

Realistisch sollte nicht nur ihre Heldin sein, findet Marklund, stimmen müssten überhaupt sämtliche Details einer Geschichte. Ob es um die Sprengstoffanschläge oder die Intrigen im Redaktionsbüro geht, die einzelnen Karrierestufen in Großkonzernen oder die Aufzucht von Bio-Tomaten - Marklund recherchierte jedes kleinste Detail. Leser, davon ist sie überzeugt, erwarten, dass fremde Welten möglichst detailliert und farbig geschildert werden, sonst langweilen sie sich.
Viel Liebe hat sie auf Annikas Redaktionskollegen verwendet, die nahezu alle ein Problem mit ihr als weiblichem Chef haben und gegen sie mobben und intrigieren, wo sie nur können. Marklund weiß, wovon sie spricht: Sie arbeitet seit vielen Jahren als Journalistin in verschiedenen Redaktionen und bei verschiedenen Fernsehsendern, und nicht selten erregte sie als junge Frau, nachdem man ihr Kompetenzen übertragen hatte, Neid und Abwehr.

Aufgewachsen ist Liza Marklund in Nordschweden. Schon als Kind dachte sie sich verwegene Geschichten aus, und immer hieß ihre Heldin Annika. Bevor sie jedoch professionell zu schreiben anfing, verließ sie erst ihr enges Land, um sich in der Welt umzusehen. Sie lebte eine Weile in den USA und in Russland, verliebte sich in diverse Männer, entliebte sich wieder, kehrte nach Stockholm zurück.

Nach dem Besuch einer Journalistenschule legte sie los, arbeitete immer wieder auch beim Fernsehen - ein Medium, das, wie sie findet, das Schlechteste im Menschen zu Tage befördere, "na ja", schränkt sie ein, "manchmal auch das Beste". "Die hinter der Kamera wollen vor die Kamera, die vor der Kamera wollen möglichst lange da bleiben, und alle wollen möglichst viel Geld verdienen."
Buchtipp
KOMA
Das Printgeschäft sei vergleichsweise harmlos. Obwohl sie manchmal bitterböse Briefe erhält, wenn sie in ihren Kolumnen die von ihr favorisierten Themen behandelt: Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, die unüberbrückbaren Schwierigkeiten zwischen den Geschlechtern, Machtfragen, Abhängigkeiten, tödliche Konflikte im häuslichen Bereich. Manchmal ringt der Chef die Hände und sagt, Liza, du schon wieder mit deinen Lieblingsthemen, muss das sein?

"Es muss sein", sagt sie und lacht. Und es gefällt ihr, dass nun ihr Krimi so viel Furore macht, in dem diese Themen wieder vorkommen: Sie beschreibt Anzeigenchefs, die Redaktionsleiter drangsalieren, Einschüchterungen wegen einer lesbischen Liebe, Erpressung wegen eines Puffbesuchs.

Ihre Methode ähnelt der ihres erfolgreichen Kollegen Henning Mankell: der Krimi als Gesellschaftsabbild. Das Buch ist voller glaubhafter Vorkommnisse, dramaturgisch gewitzt aufgebaut, und es liest sich wie eine spannende Reportage: Gebannt verfolgt der Leser, wie Annika bei minus zehn Grad in Stockholm herumstapft, eine melancholisch-moralische Heldin mit einem großen Herzen, die schließlich in die Nähe des Mörders und dadurch selbst in Gefahr gerät.
Marklunds Erfolg in Schweden zeigt, dass auch eine unbekannte Autorin ohne einen großen Verlag und aufwendige PR-Maßnahmen die Bestsellerlisten stürmen kann. Nachdem sie mit einem Sachbuch bei einem großen Verleger schlechte Erfahrungen gemacht hatte, beschloss Marklund, sich mit einem Freund zusammenzutun, der einen winzigen Verlag leitet. Sie konzipierte sechs Annika-Romane, entschied sich dann für den Olympia-Plot, weil sich Stockholm im Jahr 1997 tatsächlich, wenn auch erfolglos, um die Olympischen Spiele bewarb. Dann schrieb sie den Roman, immer wieder unterbrochen von journalistischer Tätigkeit.

Als der Krimi fertig war, ließ ihr Freund 4000 Exemplare drucken, "obwohl wir sehr skeptisch waren, ob wir die jemals loswerden würden". Die Buchhändler lehnten ab, das Buch in die Regale zu stellen - unbekannter Verlag, unbekannte Autorin, lieber nicht. Schließlich wurden Verleger und Autorin ihre Auflage über Tankstellen los, die in Schweden auch Hardcover anbieten. Inzwischen ist Marklund die neue literarische Kultfigur, ihr zweiter Annika-Roman ist in Schweden bereits erschienen und verkaufte sich bislang 440 000-mal.

Ihre Familie - Mann und drei Kinder - schottet die Autorin konsequent ab von dem Rummel um ihre Person; gerade hat sie sich ein Loft über der Altstadt Stockholms gemietet, um dort in Ruhe schreiben zu können. Dort werden nun die nächsten Krimis entstehen.
Nur einen kleinen sentimentalen Ausrutscher hat sich Marklund erlaubt: Annikas Chefredakteur ist eher Wunschphantasie als realer Mann - konfliktfähig, tolerant, voller Anerkennung für die Leistung seiner Mitarbeiter, motivierend. "Ich weiß", sagt die Erfinderin dieses wunderbaren Geschöpfes, "aber wenn ich ihn nur lange genug beschwöre, existiert er vielleicht irgendwann wirklich."

Text: ANGELA GATTERBURG
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