"Der vierte
Musketier" von Reijo Mäki
Pferdewurst, Salzgurken und Katerstimmung - Jussi Vares ohne Inspiration
Der Tag beginnt denkbar schlecht für den ehemaligen
Privatdetektiv Jussi Vares. Nicht nur schüttelt ihn nach drei durchzechten
Nächten ein immenser Kater, auch die Nachricht der beiden Herren,
das sein Kompagnon kaltblütig ermordet wurde, trägt wenig
dazu bei, seine Laune aufzuhellen. Schließlich scheint er doch
der Einzige zu sein, der für die Tat in Frage kommt. Kopfschmerzengeplagt
macht sich Vares auf den Weg, selbst nach dem Mörder zu suchen.
Dabei kratzt er nicht nur gehörig an dem Saubermann-Image seines
ehemaligen Partners, sondern verstrickt sich immer tiefer in die zwielichtigen
Machenschaften der oberen zehntausend, bis er schließlich selbst
zum Gejagten wird.
Mit der Figur des Jussi Vares knüpft Reijo Mäki
eindeutig an die Hard-boiled Schule an. "Der vierte Musketier"
bietet alle typischen Ingredienzen dafür: Einen hartgesottenen,
ständig Katergeplagten Privatdetektiv, eine lakonische Sicht auf
die Welt mit der dazu gehörenden Portion Zynismus sowie derbe und
unzweideutige Metaphern.
Da schwillt die Brust schon mal an, bis sie den Umfang eines "Heringsfasses"
erreicht hat, man erwacht "wie ein Hund, in dessen Traum sich ein
seltsamer Geruch eingeschlichen hat", "begnadigt" den
Gaumen mit einem Schluck Bier oder unser Held erwacht "vom jämmerlichen
Klingeln seines Weckers (...)". Auch ein wenig Dirty Talk ("Jussi,
it was wonderful... I was completely mixed up..." "Nein, ich
war es. Du warst der Mixer!" - "Ooooh, das fühlt sich
himmlisch an. Weißt du, weshalb ich manchmal Kühe beneide..."
"Erzähl." "Die haben vier Zitzen...") nebst
Chauvinismus hat der Krimi zu bieten. So erfährt man beispielsweise,
dass ein junger Doktorand der Wirtschaftswissenschaften von einer Dänischen
Dogge entjungfert wurde, dass "Kyrpä" das Teil bezeichnet,
"das von einer harten Hand - dreckige Fingernägel und eine
versaute Tätowierung am Handrücken - auf dem Klo der Busbahnhofspinte
über der gesprungenen WC-Schale bearbeitet wird", wohingegen
ein "kulli" "sich im linken Bein der Segelhose eines
gebräunten, stattlichen Burschen, der mit einem Siegelring am Finger
hinter dem Ruder eines größeren Bootes steht und am Horizont
des Airisto-Archipels Ausschau hält..." und schließlich
dass "Frau Vaarales Brüste (...) von angemessener mittlerer
Größe (waren), (...) eine straffe Rundung (aufwiesen) und
(...) durch symmetrische Vollkommenheit (überzeugten)" sowie
dass "die Spitzen (...) wie die verspielten Schnauzen sich im herbstlichen
Wasser herumtollender Jungottern (hervor traten)."
Daneben wird in der Zeit der Ermittlungen, die Jussi immer wieder in
seine diversen Stammkneipen führen, so viel Bier, Schnaps, Fernet-Mint
und Goldi-Cola getrunken, dabei so viel Pferdewurst mit Salzgurken gegessen,
dass einem schon beim bloßen Lesen schlecht wird. So viel zu den
äußeren Charakteristika dieses Krimis, die durchaus gut gelungen
sind und ein genaues Bild von Jussi, seinen Kollegen und Freunden sowie
ihrer (Kneipen-)Kultur vermitteln.
Buchtipp |
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Inhaltlich verknüpft Reijo Mäki geschickt drei Erzählebenen,
die nach und nach eingeführt werden, zu einem stimmungsvollen und
konsistenten Ganzen. Da ist zum einen die dominante Perspektive des
Protagonisten Jussi Vares, zum anderen die Geschichte des Jungen Lepakko
sowie schließlich die Sicht des Esten mit Namen D'Artagnan. Daher
auch der Titel "Der vierte Musketier". Der darf am Ende auch
noch die hübsche "Constanze" gewinnen (die hier natürlich
anders heißt); auch hat ihm der Vater nicht viel mehr als diesen,
durch die Liebe zur französischen Literatur geborenen, Namen hinterlassen,
doch sonst ist es mit den Analogien, die den Titel rechtfertigen würden,
nicht weit her, wie mir scheint.
Der Plot selbst bietet nun nichts, was man nicht schon mal gelesen hätte.
Jussi Vares muss erkennen, dass er seinen Partner Mikko Berg nicht so
gut kannte, wie er dachte und dass dieser längst nicht so "sauber"
war, wie er allen weismachen wollte. Bei der Aufklärung des Falls
helfen Jussi Intuition, Zufall und unerwartete Hilfe von dritter Seite
weit mehr als seine analytischen Fähigkeiten, die aufgrund des
ständigen Alkoholkonsums auch in der Tat eher eingeschränkt
sein dürften. Damit kommt die reine Story am Ende doch etwas dünn
rüber, aber in den Geschichten um D'Artagnan und Lepakko erfährt
man dafür umso mehr über die finnische Gesellschaft. Mit beiden
Figuren, obwohl im Vergleich zu den Ausmaßen, die Jussi Vares
einnimmt, von geringer Größe, sind Reijo Mäki zwei tragisch-melancholische
Nebenhelden gelungen, die dem Krimi insgesamt gut zu Gesicht stehen,
bringen sie doch die dringend notwendige Tiefe in die ansonsten eher
flach dahin plätschernde Story. Aus dem Plot - Seilschaften zwischen
scheinbar ehrbaren Geschäftsmännern und finnischer Halbwelt
- hätte man sicher mehr Spannung herausholen können. Es fehlt
der Story insgesamt an fesselnden Momenten.
"Der vierte Musketier" bietet damit zu allererst launige,
milieugetreue Unterhaltung mit einigen dramaturgischen Höhepunkten,
ist solide erzählt, im Ganzen stimmig, jedoch nicht die ganz große
Krimi-Kunst.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
© August 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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