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Inzwischen schon zu einer schönen Tradition geworden, befragte unser schwedenkrimi.de Redakteur Jürgen Ruckh die Autorin zu Ihrem neuen Roman "Feuernacht" und zu vielen weiteren interessanten Aspekten, u.a. zu geplanten Verfilungen. Literaturportal schwedenkrimi.de: Die Handlung von "Feuernacht" beruht teilweise auf einer wahren Geschichte, die sich in Island so zugetragen hat. Ein Kindermädchen starb infolge eines Verkehrsunfalles. Meine Frage ist nun, wie kamst Du auf die Idee, diese Geschichte in Deinem Buch zu verwenden und gab es die geschilderte "Geisteraustreibung" durch die Kirche wirklich?
Der Tod der Babysitterin bei einem Autounfall und deren Rückkehr zu dem Kind ist eine wahre Geschichte, wie auch die Verstrickung der Kirche darin. So habe ich die Geschichte auch kennengelernt: Ich las einen Artikel darüber in der Zeitung, dass das Büro des Bischofs die erste Teufelsaustreibung seit 100 Jahren in Island durchführt. Wie auch immer, so weit geht die Verbindung zu meiner Geschichte. Alles weitere wurde von mir dazu erfunden. Nur fand ich das ganze Szenario so interessant, dass ich es in eine Geschichte mit einfließen lassen wollte und verbrachte viel Zeit damit, um heraus zu bekommen, wie das Ganze als Nebenhandlung in einem Buch verwendet werden kann. Literaturportal schwedenkrimi.de: In diesem Krimi sind viele Anspielungen auf die Finanzkrise in Island und auf den Zusammenbruch der Wirtschaft enthalten und Du schilderst, wie diese Krise das Leben der Menschen in Island beeinflußt. Hat die Krise auch Einfluß auf das Leben Deiner Familie und auf Dich gehabt und wie bewertest Du das Leben in Island heute? Was hat sich verändert? Yrsa Sigurðardóttir: Die Krise hat eine negative Auswirkung auf jeden - außer Rechtsanwälten. Sie sind wirklich in diesen Tagen sehr beschäftigt. Aber selbst sie müssen, wie der Rest des Landes, den negativen Begleiterscheinungen, die dem Bankenkollaps gefolgt sind, überdrüssig sein. Uns wurden, in den nun über zwei Jahren, keine guten Nachrichten geliefert. Dies ist wirklich ermüdend und depressiv und es scheint keinen Boden in dem Hexenkessel der Korruption und Habgier zu geben, aus dem die Journalisten ihre Geschichten schöpfen. Das Traurige dabei ist, dass Island ein großartiger Ort ist, ein wunderbares Land und wir müssen sehr dankbar dafür sein. Ich denke, wir werden mit dem, was passiert ist, nicht vollkommen fertig werden, bevor nicht die Verantwortlichen vor Gericht gebracht worden sind, was bisher noch nicht geschehen ist. Literaturportal schwedenkrimi.de: Wenn man die Nachrichten aus Island verfolgt, scheint die Verbrechensquote in Island anzusteigen. Drogenhandel, Prostitution, Überfälle und Einbrüche nehmen zu. Auch Morde geschehen. Ist das Leben unsicherer geworden und ist dies ein Ausdruck der Krise? Yrsa Sigurðardóttir: Ich denke nicht, das die Krise, trotz allem, einen ziemlich großen Einfluss auf die Verbrechensrate hier hat, etwas vielleicht, aber nicht viel. Wir hatten ein Zustrom von Kriminellen aus anderen Ländern in den letzten Jahren - ich weiß nicht warum. Gegenwärtig sind 40% der Menschen in den isländischen Gefängnissen fremder Nationalität und leider sind diese Kriminellen aus einem härten Stoff als wir es gewöhnt sind. Die Mordrate steigt, aber dies kann auch eine statistische Ausprägung sein, da es nur ein paar Morde hier gibt, so dass alles rund um verändert wird, wenn es drei Morde in einem Jahr gibt, da wir gewöhnlich nur einen im Jahr haben. Einige Jahre hatten wir zum Glück gar keinen. Morde gehören in Bücher, nicht in das wirkliche Leben. Literaturportal schwedenkrimi.de: In diesem Buch nehmen die gespenstischen und mystischen Schilderungen einen etwas größeren Raum ein wie ich finde. Ohne dadurch störend zu wirken. Im Gegenteil, sie sind Teil der Handlung und im Grunde unverzichtbar. Diese Schilderungen des Gespenstischen, Irrealen machen auch den Reiz Deiner Bücher aus.
Danke sehr. Literaturportal schwedenkrimi.de: Was fasziniert Dich an diesen Gespenstergeschichten, die Du in Deinen Romanen einfließen lässt? Was macht den Reiz daran aus, eine mystische gespenstische Erzählebene in Deine Krimis einzubauen? War das von Anfang an geplant oder hat sich dies seit Deinem ersten Krimi so ergeben? Yrsa Sigurðardóttir: Ich habe Gespenstergeschichten und Horrorfilme (nicht die beschissenen) immer geliebt und ich genieße es, diese in den Handlungsstrang zu mischen. Dies hat wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass die Isländer sehr unvoreingenommen sind, wenn es um Gespenster und das Okkulte geht, da es ein sehr großer Teil ihres Kulturerbes ist. Mein letztes Buch, welches an Weihnachten in Island veröffentlicht worden ist und dass im Herbst in Deutschland erscheinen soll, ist eine ausgewachsene Geistergeschichte, das heißt, ich machte ein Jahr Pause von Dóra und schrieb etwas Eigenständiges. Das Buch erhielt sehr gute Kritiken und die Menschen hier mögen es wirklich, was eine große Erleichterung für mich ist, da ich keine Vorstellung davon hatte, wie es wahrgenommen werden wird. Ungeachtet dessen, dass Island eine Menge alter Geistergeschichten aufzuweisen hat, gibt es keine Tradition moderner Horrorgeschichten. Ich hoffe, ihr werdet es ebenso mögen und dass der Grusel in der Übersetzung gut herüberkommt. Literaturportal schwedenkrimi.de: Im November 2010 erschien das Buch in Island. Der Titel lautet "Ég man þig" ("Ich erinnere mich an Dich"). Die Rechte wurden ebenfalls schon an den Fischer Verlag verkauft. Kannst Du den deutschen Lesern schon etwas über die Handlung des Buches verraten? Yrsa Sigurðardóttir: Ich verspreche den deutschen Lesern und Leserinnen einen wirklich guten Roman, der sie in der Nacht wach halten wird. Die Geschichte hat zwei Erzählstränge. Einer erzählt die Geschichte dreier Menschen, die in der Mitte des Winters in ein verlassenes Dorf in den Westfjorden Islands (Hesteyri) gehen, um ein altes Haus zu renovieren und herausfinden, dass sie nicht alleine sind. Die zweite Geschichte ist über einen Arzt, der gerade nach Ísafjörður (die Stadt, die dem verlassenen Dorf am nächsten liegt) gezogen ist und der versucht, sein Leben wieder in die richtige Spur zu bringen, da sein junger Sohn verschwunden ist. Das Kind ging hinaus, um verstecken zu spielen und wurde nie gefunden. Der Arzt wird in eine Ermittlung eines Todes einer ortsansässigen Frau involviert, der viele alte und beunruhigende Dinge ans Tageslicht bringt. Literaturportal schwedenkrimi.de: Das Thema des Widergängers tritt häufig auch in den isländischen Sagen auf. Dort ist es ein zu den Lebenden zurückkehrender Toter, der den Menschen gegenüber dann meistens als feindlich gesinnter Geist gegenüber tritt. Auch in Deiner Geschichte ist es kein freundlicher Geist. Yrsa Sigurðardóttir: Sympathische Geister machen keinen Spaß - sie müssen böse oder störend sein, um einer Geschichte würdig zu sein. Dies liegt wahrscheinlich auch an der Religion, wo derjenige der Tod und glücklich ist im Himmel sein und nicht hier unten herumgeistern sollte. Literaturportal schwedenkrimi.de: Der Kriminalfall spielt in einer Behinderteneinrichtung. Pfleger, Behinderte und deren Angehörige sind verdächtigt. Auch die sozialen Probleme dieser Einrichtungen werden angesprochen. Ein Thema, das Dich persönlich interessiert hat? Yrsa Sigurðardóttir: Ich arbeitete an einem Projekt, das die Konstruktion von drei solcher Anlagen beinhaltete und ich begann mich dafür zu interessieren. Es gibt auch behinderte Menschen in meiner näheren Umgebung, die meine Augen für diesen Aspekt unserer Gesellschaft geöffnet haben. Es ist ein Bereich, der viel Fortschritt vertragen kann, obwohl es in den letzten Jahrzehnten große Fortschritte gegeben hat. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du hast ein sehr erfolgreiches Jahr hinter Dir. In England werden Deine Krimis sehr gut besprochen. Darunter auch in der "Times Literary Supplement", in Amerika wird demnächst bei MacMillans auch Dein Buch "Das glühende Grab" erscheinen und die Filmrechte an Deinen Büchern kaufte die deutsche Filmfirma TeamWorx. Du kannst eigentlich sehr zufrieden sein, oder? Yrsa Sigurðardóttir: Ja, ich bin sehr glücklich und denke, dass das TeamWorx Projekt sich als wirklich gut herausstellen könnte, wenn sich alles zusammenfügt. Ich bin auch wirklich erfreut über die Aufnahme meines neuen Horrorromans hier. Es ist schön, wenn sich das Lebenswerk steigert. Literaturportal schwedenkrimi.de: Wirst Du an der Verfilmung der Bücher beteiligt sein, zum Beispiel am Drehbuch? Die Dreharbeiten sollen ja im Sommer am Snæfellsnes beginnen. Yrsa Sigurðardóttir: Nein, ich werde am Drehbuch nicht beteiligt sein, obwohl ich sicherlich zu den Dreharbeiten gehen werde, wenn die Filmcrew im Sommer ankommen wird. Literaturportal schwedenkrimi.de: Kannst Du eigentlich jetzt vom Schreiben leben oder bist Du noch als Ingenieurin tätig? Yrsa Sigurðardóttir: Ich arbeite immer noch als Ingenieurin, obwohl ich vom Schreiben leben könnte. Es ist besser so, da ich nicht jedes mal so belastet bin, über was ich schreiben soll und ich mag es auch sehr beschäftigt zu sein und mit Menschen zu tun zu haben. Schreiben ist ein einsames Geschäft und ich funktioniere nicht gut unter solchen Lebensumständen. Literaturportal schwedenkrimi.de: Im nächsten Jahr wird auch ein Kinderbuch von Dir beim S. Fischer Verlag erscheinen. Es erschien bereits 2003 in Island unter dem Titel "Biobörn" (Biokinder). Wie kam es nun zu der deutschen Veröffentlichung? Yrsa Sigurðardóttir: Wenn ich raten müsste, würde ich denken, dass es etwas damit zu tun hat, dass Island der Schwerpunkt der Frankfurter Buchmesse in diesem Herbst ist. Literaturportal schwedenkrimi.de: Um was geht es in diesem Buch und für welches Lesealter ist es gedacht? Yrsa Sigurðardóttir: Die Geschichte erzählt die Abenteuer von vier Kindern, die an einem Seminar für sehr kluge Kinder teilnehmen, das in einem Genetiklabor stattfindet. Zwei von ihnen wurden durch einen Zufall eingeladen, da sie wirklich nicht zu den besten Schülern in ihrer Schule zählen, ganz im Gegenteil, sie vermuteten einen blauen Brief erhalten zu haben. Während sie an dem Seminar teilnehmen, finden die vier Kinder heraus, dass etwas faul ist in diesem Labor und während ihrer anschließenden Ermittlungen finden die zwei unklugen Kinder heraus, dass sie nicht so dumm sind, wie sie glauben. Literaturportal schwedenkrimi.de: In diesem Jahr ist Island Gastland der Frankfurter Buchmesse. Wie schätzt Du die Wirkung dieser Buchmesse ein und was erwartest Du für die Kultur auf Island? Wirst Du die Buchmesse besuchen? Yrsa Sigurðardóttir: Der Witz hier ist, dass Frankfurt 2011 mit dem alljährlichen Treffen der isländischen Schriftsteller und Schriftstellerinnen gepaart wird, da eh alle in Frankfurt sind. Wenn dies auch eine Übertreibung ist hat der Scherz doch einiges an Wahrheit und zeigt, dass die Buchmesse eine außergewöhnliche Gelegenheit für die isländischen Schriftsteller und Schriftstellerinnen ist, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Ich war nur einmal auf der Buchmesse, im Oktober 2010. Es war ein wenig überwältigend zu sehen, wie viele Bücher es in der Welt gibt aber zugleich wirklich stimmungsvoll und ich freue mich auf die kommende Buchmesse in diesem Herbst. Autor: Jürgen Ruckh/ Esslingen © Oktober 2011 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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