Die Lesung zu "Zimmer Nr. 10" ist weder für
Åke Edwardson noch für sein Team Boris Aljinovic und Margarte
von Schwarzkopf eine Premiere. Zu Disharmonien, wie der Göteborger
sie für seine literarische Figur einfordert, kommt es deshalb nicht.
Der Stimmung tut dies keinen Abbruch.
Dortmund, 17. September 2006 Crime Solo für Åke Edwardson
in Dortmund beim "Mord am Hellweg". Im Foyer wird noch fremdgelesen
- ein amerikanischer Krimiautor macht hier die Runde -, doch als dann
kurz vor 17 Uhr endlich der Saal geöffnet wird, gibt es für
die rund 240 Krimifans kein Halten mehr. Bis auf den letzten Platz ausverkauft
ist das "Theater im Depot", und der Jubel kennt keine Grenzen
mehr, als Kommissar-Winter-Stimme und Tatort-Schauspieler Boris Aljinovic,
Moderatorin Margarete von Schwarzkopf und als letzter schließlich,
in Siegerpose, Åke Edwardson die Bühne betreten.

Die Stimmung ist von Anfang an gut. Schließlich kennt man sich
bereits von vorangegangenen Lesereisen. Ein eingespieltes Team, das
zum Warm-Up erst einmal Åke Edwardson ein paar Hotelgeschichten
zum Besten geben lässt. Schließlich spielt ein Hotelzimmer
im aktuell vorliegenden Roman "Zimmer Nr. 10" eine tragende
Rolle. In Hamburg hat man Åke Edwardson für einen Dieb gehalten,
in Unna behauptete eine freundliche Rezeptionistin, er könne nicht
auschecken, denn er habe bereits ausgecheckt. "Aber nein, ich stehe
doch vor Ihnen" ruft der humorvolle Göteborger. Die Rezeptionistin
kontert schlagfertig: "Wollen Sie noch eine Nacht bleiben?"
Wollte er zum Glück nicht, sondern sitzt jetzt hier in Dortmund
und schwitzt im Scheinwerferlicht.
In den folgenden zwei Stunden tauchen wir in die Göteborger Unterwelt
ein, begegnen einem kleinen, verstörten Jungen, unzuverlässigen
Zeugen, nehmen teil an Halders Kindheitserinnerungen und verplaudern
mit Åke Edwardson die Zeit. Der macht deutlich, dass er "Henning-you-know-who"
als Kollegen sehr schätzt und respektiert, dass die skandinavischen
Krimiautoren aber keine große Familie seien, wie gemeinhin gerne
angenommen werde. Vielmehr handele es sich doch um sehr unterschiedliche
Autoren, mit ganz unterschiedlichen Herangehensweisen, Techniken und
Philosophien. Als er 1997 seinen Kommissar Winter schuf, wollte er einen
bewussten Kontrapunkt zu den ausgebrannten, übergewichtigen, beziehungsgestörten
Midlife-Crisis-Kommissaren setzen. Erik Winter bejaht das Leben grundsätzlich,
erhält im Verlauf der bis dato sieben Romane (in Schweden ist gerade
der achte erschienen) sogar eine Familie.
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Und
er hört auch keine Opern, denn "das dient ja nur dazu, dass
der Kommissar ausruhen kann, die Handlung ruht, der Leser ruht - und
kann sich gleich eine Kanne Kaffee kochen gehen
" Nein, bei
Åke Edwardson muss es der atonale Jazz sein: "Beginne andere
Fragen zu stellen und du wirst andere Antworten erhalten." Es gilt,
die Disharmonien auszuhalten und die versteckte Botschaft zu entschlüsseln,
sich auf das Nicht-Logische einzulassen: "Das Verbrechen denkt
und handelt auch nicht logisch, also muss man sich von der Logik verabschieden,
um ihm auf die Spur zu kommen." Edwardson selbst hört beim
Schreiben stets Musik: "Wäre mein CD-Player kaputt, ich könnte
keine einzige Zeile mehr schreiben
", beteuert der Göteborger
treuherzig. Wie Boris Aljinovic seinen Sprachrhythmus für die Hörbücher
umsetzt und interpretiert gefällt ihm ausgesprochen gut. Ein Ausflug
in Åke Edwardsons Kindheitserinnerung ("Samuraisommer")
an ein sommerliches Feriencamp - "in Wahrheit ein Straflager"
- beendet schließlich die äußerst launigen, souverän
und interessant präsentierten Einblicke in Edwardsons literarische
Landschaft.