Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Buch des Autors Dan Turèll.


Mord am Rondell
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Broschiert
Lübbe Verlag
Erscheinungsdatum:
August 2004
ISBN: 3404151771

Kurzbeschreibung

An einem winterkalten Montagabend wird ein gewitzter Privatschnüffler Zeuge eines Mordes an einer jungen Frau. Exakt eine Woche später geschieht ein weiterer Mord. Die Stadt hält den Atem an ...

Stimmen
Ein genialer Kopenhagen-Krimi vom dänischen Kultautor.

Weitere Informationen (Ext. Link)

Leseprobe

1

Es war ein verfluchter Abend, einer dieser Abende, an denen man unwillkürlich erwartet, dass die schlimmsten und verkehrtesten Dinge geschehen. Dabei weiß natürlich jeder, dass sie sowieso zu jeder Zeit überall auf der Welt (und vermutlich auch auf möglichen anderen bewohnten Planeten) geschehen können, aber es gibt gewisse Tage, an denen ist die Stimmung, der Ton einfach so, als wären sie (genau wie bestimmte Menschen, denen man begegnet) von Anfang an verloren, hätten nie eine wirklich faire Chance gehabt, würden unwiderruflich auf einen Abgrund zutreiben.
Es war ein kalter, windiger, regnerischer Abend. Es war ein Montag, und es war Anfang Januar. Die Menschen auf den Kopenhagener Straßen versteckten sich hinter ihren Regenschirmen, oder sie gingen vornüber gebeugt, die Köpfe wie wütende Stiere vorgereckt, während sie sich ihren Weg durch den Regen bahnten. Die meisten sahen aus, als dächten sie an ihre Steuererklärung oder daran, wie sie die flachste Miete bezahlen sollten. In den Straßen stand das Wasser, und das jetzt schon am dritten Abend hintereinander.
Es war ein Abend, an dem jeder, der noch einen Funken Verstand besaß, sich in den gemütlichsten Sessel setzen würde, den er auftreiben konnte, um ein gutes Buch zu lesen, mit seinem Lieblingsdrink in Reichweite.
Und natürlich war es der Abend, ausgerechnet dieser Abend, an dem ich eines dieser fünfundzwanzig bis dreißig verrückten Individuen war, die sich auf den Straßen der Stadt herumtrieben.

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Ich lief nachdenklich herum. Ich hatte so einiges, worüber ich nachdenken musste. Ich hatte Probleme genug, um mindestens drei Spalten im Zeitungskummerkasten zu füllen.
Ich hatte eine Frau geschwängert. Eine alte Geschichte, und glaubt bloß nicht, dass ich stolz darauf bin: Das hätte jeder erstbeste Fahrradbote fertig bringen können, und vielleicht besser als ich. Aber nun war ich es. Hatte es nun einmal fertig gebracht, und damit war es auch mein Problem.
Aber im Hinblick auf die Naturgesetze war es natürlich noch mehr ihr Problem als meines.
Und sie - Gitte Bristol, die schwarz funkelnde Rechtsanwältin, mit der ich "ging", seit wir uns vor einem halben Jahr im Flugzeug nach Rodby kennen gelernt hatten, ohne ihr eigentlich in dieser ganzen Zeit sehr viel näher gekommen zu sein - sie hatte so ihre Zweifel. Sie wusste nicht, ob sie ein Kind mit mir haben wollte. Sie wusste überhaupt nicht so recht, ob sie mit mir zusammen sein wollte.
Schwierige Aussichten.
Folglich empfand sie ihre Situation als bedrückend und war zeitweise auf dem besten Weg in die Depression, dann wieder war sie wütend und aggressiv, oft auf die ganze Welt, meistens besonders auf mich, da ich ein ziemlich aufdringlicher Teil dieser Welt war. Sicher, ich war nur das zweitaufdringlichste Wesen, aber dabei einfacher anzugreifen als das unbekannte Wesen, das zusammengekauert in ihrem Körper abwartete.
Im Abstand von nur wenigen Tagen wechselte sie immer wieder ihre Meinung, wie eine Art menstrueller Zyklus. Mal wollte sie "ihr" Kind haben, dann wollte sie versuchen "unser" Kind zu bekommen, und dann wollte sie es wieder abtreiben.
Die Wut einer Frau, die Hysterie einer Frau ist in der Regel - wie die Amerikaner sagen - right as rain.
Aber ihre Arbeit verrichtete sie wie immer: zuverlässig, effektiv, genau und mit dieser unmenschlich hohen Arbeitsmoral, die fast nur äußerst selbstbewusste Frauen aufbringen können.
An diesem Abend war sie außergewöhnlich schwachsinnig gewesen, natürlich. Ich konnte ihr das in ihrer Situation nicht vorwerfen. Und als sie "gern allein sein wollte", wie sich eine Frau mit ihrer Erziehung so selbstverständlich ausdrückt, machte ich mich auf in den Regen, mehr oder weniger automatisch auf den Weg "nach Hause", zu dem "Zuhause", das ich noch mein eigen nannte, während ich bereits halbwegs bei ihr wohnte, oder zumindest übernachtete. Ich ging also und "dachte", wenn das kein zu großes Wort dafür ist.
Ich dachte an den Moment, als ich sie das erste Mal sah, bei meinem chinesischen Freund Ho Ling Fung, in seinem Restaurant, wo sie allein aß und so eine Wirkung auf mich ausübte, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Ich dachte an damals, als ich auf dem Flughafen von Rodby das erste Mal mit ihr sprach, dem beklagenswerten Mangel an Mietwagen auf diesem provinziellen Flugplatz sei Dank. Ich dachte - leicht zitternd vom Regen und den Erinnerungen - an die Nacht, als sie mich im Hotel Rodby "herein.. ließ".
Ich dachte an ihr Leben, die französische Schule, ihre Kindheit im Richterhaus, an ihren pompösen Amtsrichter-Vater und den unterdrückten Schatten einer ewig mit den Kaffeetassen klappernden Mutter, um die Chesterfield Garnitur voller Zigarrenrauch herumhuschend. Ich dachte an ihre missglückte erste Ehe, und als ich daran als ihre "erste" dachte, sah ich mich gleichzeitig als Kandidaten für die zweite.
Wirklich, ich liebte sie, mehr als ich jemals jemanden geliebt habe.
Es ist gelogen, was die meisten trivialen Festredner behaupten, dass Liebe blind macht. Die Wahrheit ist genau das Gegenteil: Liebe macht sehend. Leute, die lieben, sehen Dinge, für die sonst niemand Augen hat, und oft handeln sie klarer und konsequenter als die so genannten "coolen Typen".
Deshalb war ich auch nicht blind gegenüber der einleuchtenden Tatsache, nicht gerade eine gute Partie für sie zu sein. Wenn es stimmt, dass gleich und gleich sich gern gesellt, dann hätten wir nicht einmal zusammen Fangen spielen können.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Und trotzdem hatten wir das, und die Ergebnisse waren jetzt offensichtlich.
Es gab also genug Stoff zum Nachdenken, und die Gedanken liefen in ihren planmäßigen, gewohnten, sinnlosen, vogelpfeifenartigen, bewährten Bahnen, während ich straßauf, straßab in dem strömenden Regen wanderte, der an diesem späten Abend langsam alle Mauern und Häuser der Stadt sauber zu waschen schien und sie mit seinen Tropfen märchenhaft zum Glänzen brachte.
Plötzlich erwachte ich wie aus einem Traum und stellte fest, dass meine dienstwilligen Beine mich die altvertrauten Kopenhagener Straßen entlanggeführt hatten: die Istedgade hinunter, über den Vorplatz des Hauptbahnhofs, über die Strøget und die Købmagergade nach Nørreport und bis auf die Nørrebrogade - eine Route, die meine Beine in den letzten zwanzig Jahren mehrere tausend Mal gegangen oder gefahren waren. Kein Wunder, dass sie sie kannten, wie ein Pferd, das seinen Weg kennt. Aber sie kommen eigentlich selten so weit in diese Richtung.
An diesem Abend waren sie bis zum Nørrebro Rondell gekommen, dort, wo der Jagtvej und die Nørrebrogade sich kreuzen mit Straßen nach Norden, Süden, Osten und Westen oder besser gesagt: in die Innenstadt, nach Bispebjerg, nach Lyngby oder nach Frederiksberg.
Das war eine Gegend, die ich kannte, oder genauer gesagt: eine, die ich gekannt hatte. Ein Teil meiner Familie lag hinter den grauen Mauern des Assistens Friedhofs zusammen mit Hans Christian Andersen und Søren Kierkegaard, ein Teil von ihnen hatte seit Generationen in den großen Mietskasernen von Nørrebro gelebt.
Ich blieb einen Moment lang direkt am Rondell stehen, um die Atmosphäre in mich aufzusaugen. Einen Augenblick lang war ich ein Fremder, der in ein unbekanntes Land eingedrungen war, aber dann tauchte nach und nach die Erinnerung wieder auf. Rechts stand wie immer die Zigeuner-Halle, der alte, volkstümliche Tanzsaal mit Blasmusik, Witwenball, Ein-Liter-Bjer-Humpen und Tanz auf den Bänken zu gemeinsamen Liedern. Links, auf der anderen Seite des Jagtvej, lag immer noch das Colloseum, das Kino für die Jugend, als ich jung war. Allein der Anblick des Reklameschilds ließ die Erinnerung an die Zeiten mit Elvis Presley, James Dean und den inzwischen nicht mehr erhältlichen Marken von Lederjacken und Motorrädern wieder aufleben.
Und mittendrin lag heute wie früher das Central Café, das Central Café mit seinen abgewetzten Plüschsesseln und den heruntergekommenen gelblichen Bordelllampenschirmen hinter den alten Goldschildern zur Straße hin.
Das alles war unverändert, und die melancholische steinerne Trostlosigkeit der Friedhofsmauer sah auch aus wie eh und je.
Das war eine Gegend, die man in anderen Gegenden, in solchen, aus denen Gitte Bristol stammte, als "ein hartes Pflaster" bezeichnen würde. Ich glaube zwar nicht besonders an eine spezielle Härte, jede Gegend hat ihre eigene, aber es ist zumindest eine armselige Ecke, und niemand kommt von hier, ohne das erfahren zu haben. Es ist eine Gegend, die ihre Identität aus tausenden gleichförmiger Wohnungen schöpft, die alle gleich eingerichtet sind, weil sie gar nicht anders eingerichtet werden können, wenn ihre Bewohner darin schlafen, essen und scheißen sollen. Das ist eine Gegend, in der Kinder nur selten Stipendien oder Zuschüsse für die so genannte Weiterbildung bekommen. Das ist eine Gegend, in der es schon eine Herausforderung bedeuten kann, lange genug zu überleben, um überhaupt in die Schule zu kommen und gerade mal genug zu lernen, um seine Sozialhilfe quittieren und seinen Lottoschein ohne Hilfe anderer ausfüllen zu können.
Aber das ist auch eine Gegend mit äußerst akkuraten Topfpflanzen auf den Fensterbänken, mit Schifferklaviermusik, mit schwachem Essensduft aus den Hinterhofküchen mit Gemüse, das im wahrsten Sinne des Wortes auf den Bürgersteig hinausquillt (so wie die Kopenhagener es so gern in den exotischen südeuropäischen Städten sehen), mit vielen Menschen, die alt und faltig geworden sind und trotzdem oft eine Art geheimnisvolles wissendes Lächeln zeigen, während sie gebückt mit einem Einkaufsnetz in der Hand die gleichen engen Gassen hinuntertrotten, in denen sie ihr ganzes Leben verbracht haben.
Ein Ort, will ich damit sagen. Ein Ort, an dem man ein wenig stehen bleiben und ins Nachdenken kommen kann, sich umschaut, während man sich vielleicht einen Moment lang einbildet, etwas zu begreifen, nur einen Funken von dem Ganzen.
Wenn es einem überhaupt erlaubt sein sollte, an so einem verfluchten Abend irgendwo stehen zu bleiben und nachzudenken.
Das war es mir nicht. Eine Frau begann irgendwo in der Nähe zu schreien, laut zu schreien, durchdringend und wahnsinnig. Voller Angst, wie in einem Horrorfilm.
Ich verlor den Faden. Aber der war sicher auch nichts mehr wert.

Danke an den Bastei-Lübbe Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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