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Eine Menge Romane der norwegischen Schriftstellerin Karin Fossum sind bisher ins Deutsche übersetzt worden. Im Mittelpunkt steht dabei jeweils ihr Held Kommissar Konrad Sejer.
Einer der Titel "Stumme Schreie" ist ein kleines Wunderwerk und bündelt Fossums literarisches Talent auf einzigartige Weise. Die Bücher erscheinen im Piper Verlag - zuletzt "Wer anders liebt" (2008); übersetzt werden sie von Gabriele Haefs. Frank Keil, freier Journalist aus Hamburg führte ein Gespräch mit ihr über das Schreiben, die Väter und den Unterschied zwischen Romanen und Gedichten. Ich habe "Stumme Schreie" zweimal gelesen und bin immer noch verblüfft, dass eine Schriftstellerin so viel über Männer weiß. Haben Sie "under cover" unter Männer gelebt...?
Nein, keineswegs. Sehen Sie, als ich dieses Buch schrieb, habe ich keinen Moment darüber nachgedacht, ob eine Person nun ein Mann oder eine Frau oder ein Kind ist. Ich kenne die Personen als Charaktere, alles weitere kommt irgendwann. Ich verschwende auch keine Zeit damit, nachzudenken, ob ein Mann so und so handeln würde. Als aller erstes sind wir doch alles Menschen, Sie und ich etwa. Der Rest ergibt sich. Trotzdem. Da gibt es so genau Beschreibungen ... Sie kennen Geheimnisse über Männer! Was genau? Sie machen mich ganz verlegen ... Wie Sie Ihren Helden Gunder Jomann beschreiben, aber auch die anderen Männer, den Kneipenwirt Einar Sunde etwa ... wie der ganz typisch männlich mit der sich anbahnenden Trennung von seiner Frau umgeht. Das kann man sich nicht ausdenken! Natürlich kenne ich Männer. Sie sind ja überall. Es freut mich natürlich, dass ich offensichtlich so nahe dran bin. Aber da ist nichts konstruiert. Ich kenne zufällig diesen Kneipenwirt. Er ist so und so und so; wie ich ihn eben auch beschreibe. Ihr Held Kommissar Konrad Sejer, ist er der Fels in der Brandung? In ihren Romanen sind die anderen Männer - auch die Frauen, aber meistens die Männer - ziemlich durcheinander. Vieles mißlingt ihnen. Sie wissen nicht so genau, was sie vom Leben halten sollen ... Ja, das ist er, der Fels in der Brandung. Ich stelle ihn mir manchmal wie einen Leuchtturm vor. Er ist sehr groß und sehr schmal. 190 Zentimeter! Er arbeitet ja auch in einem für Oslo vergleichsweise hohem Gebäude und kann dort aus sich umschauen. Er ist größer als alle um ihn herum und er hat eine besondere Sichtweise. Er kann Dinge zusammen führen, weil er wortwörtlich den Überblick hat. Und er ist so souverän. In seinem Job. In seinem Privatleben ist er ein wenig zurückhaltend, fast scheu. Auf der Arbeit ist er der Boss. Er macht keine dummen Fehler. Er weiß wie alles läuft. Und wenn er mit Leuten zusammen kommt, die in irgend etwas hineingeraten sind, aus dem sie nicht mehr herauskommen: Sie können ihm vertrauen. Er bietet Sicherheit. Er hört ihnen zu; weiß, was ihnen sagen muss. Er fängt nicht an zu stottern. In seinem Privatleben ist er recht einsam ... Ja. Er ist einsam, er hat es sich auch so gewählt. Er hat seine Frau verloren; sie starb an Krebs. Und er hatte sich entschieden, nicht wieder zu heiraten. Aber dann kam eine vorbei und die fackelte nicht lange. Sie nahm ihn sich einfach. Er hätte das nicht getan. Er würde nie eine Frau so erobern, wie er erobert wurde. Aber als sie die Initiative übernahm - o. k., er war einverstanden. Aber er hat tief innen ist da immer noch dieses Gefühl, dass er eigentlich seine verstorbene Frau betrügt. Wenn ich Ihre vier (zum Zeitpunkt des Interviews Anm. der Red.) in Deutschland bisher übersetzten Romane mal so durchgehe, kommt es mir vor, als sei überall das eigentliche Thema: Eine Familie gründen, eine Familie zu halten ... In ihrem Buch "Stumme Schreie" etwa: Ein Mann fährt nach Indien und sucht eine Frau, um eine Familie zu gründen. In ihrem ersten Roman steht eine allein erziehende Mutter im Mittelpunkt. Und ein Kind, das zwischen seinen getrennten Eltern hin und her gerissen ist. Ich habe nie so darüber nachgedacht, aber es leuchtet mir ein. Ich selbst verspüre in meinen Büchern eine Sehnsucht nach dem Vater. Es hat ein wenig gedauert, aber jetzt erkenne ich das. Es war mir anfangs nicht klar. Man schreibt halt und gibt sich Mühe dabei, aber was einen antreibt, bleibt einem manchmal verborgen. Andere - Leser etwa - können hinterher oft sehr genau sagen, was alles thematisch in dem Stoff enthalten ist. Und man selbst als Schreiberin sagt: Oh ja, stimmt. Natürlich kann man sagen, dass es in allen meinen Büchern um Beziehungen geht. Wie gestalten wir Beziehungen. Wie gehen wir miteinander um. Was erwarten wir vom anderen. Und wie schwierig es ist, unsere Erwartungen und die Tatsachen zusammen zu bringen. So dass es gut wird. Ich bin sehr interessiert, wie wir miteinander reden. Wann reden wir aneinander vorbei und wann sprechen wir wirklich miteinander? Leute können es gut miteinander meinen, aber sie können es nicht immer vermitteln.
Es wäre unmöglich gewesen, das Buch jemanden anderem zu widmen. Er war einfach meine erste Wahl. Ich bin ein typisches Papakind. Er ist leider gestorben vor ein paar Jahren, aber ich sehr froh, dass er dieses Buch noch erleben durfte. Für mich war das wichtig. Väter sind sehr wichtig im Leben. Ich hoffe, sie wissen das. Sie haben als Taxifahrerin gearbeitet? Ja, vor einigen Jahren. In einem Vorort von Oslo. Ich fuhr die Leute von dort ins Zentrum und wieder zurück. Oft ging es zum Flughafen. War es schwierig, von den Büchern leben zu können? Anfangs ja. Wirklich. Es hat lange gedauert, aber ich finde das im Nachhinein gar nicht so schlecht. Das erste Buch erschien 1974. Und dann 1978 das nächste. Dann kam eine Pause von 14 Jahren. Ich bekam zwei kleine Kinder, da hat man andere Sorgen. Ich fing wieder an, da waren sie Teenies, 1992. Es ist nicht verkehrt, wenn der Erfolg langsam kommt. Man verliert nicht die Bodenhaftung. Man wird immer wieder daran erinnert: Man schreibt einfach nur Bücher. Sie debütierten mit Gedichten? Mit Anfang zwanzig. Ich schrieb zwei schmale Gedichtbände. Bei uns ist das sehr ungewöhnlich: Eine Krimiautorin oder ein Krimiautor schreibt keine Gedichte. Ich schreibe weiterhin Gedichte, aber ich veröffentliche sie nicht. Vielleicht in zehn Jahren. Ich bin voller Eindrücke, Assoziationen, Erlebnisse und manches davon bedarf einer sehr knappen Form. Dann wird es eben ein Gedicht. Eine andere Begebenheit oder ein Erlebnis führt zu einer Kurzgeschichte; anderes gar zum Roman. Ich sehe nicht, dass es die großen Unterschiede zwischen Lyrik und Prosa gibt. Es gibt eben kurze Geschichten und lange Geschichten; Gedichte und Romane. Schreiben ist Schreiben. Ich selbst spüre beim Schreiben keinen wesentlichen Unterschied. In Norwegen ist es übrigens mittlerweile üblich, dass jeder Schriftsteller mal einen Krimi schreibt. Das hat das literarische Niveau von Krimis enorm angehoben. Man gibt sich eben auch bei einem Krimi die aller größte Mühe, ihn gut zu schreiben. Ich selbst verstehe mich gar nicht so sehr als Krimischreiberin. Das war auch eine Frage von mir: Sie schreiben Romane mit kriminalistischen Elementen garniert. Aber es gibt keine Verfolgungsjagden, keine Schießereien und das alles. Wenn ich an einem Stoff sitze, denke ich mir nicht absichtlich aus, was jetzt Spannendes passieren muss. Es gibt eine Geschichte, eine Idee - und jemand ist ums Leben gekommen. Und ich fange an zu schreiben. Und irgendwann kommt - und zwar ziemlich spät: Ja, es ist ein Krimi und nun muss das und das geschehen. Ich verwende nicht viel Zeit für kriminalistische Detail. Die Geschichte an sich ist und bleibt das Wichtigste. Warum muss man Krimis in die Krimischublade stecken? Was ist mit der Liebesgeschichte? Der Familientragödie? Sie finden in keinem Buchladen eine Ecke nur mit Liebesgeschichten und eine mit Familientragödien. Aber eine nur mit Krimis vollgestopft. Was steht eigentlich auf dem deutschen Umschlag? Moment. Da steht: Roman. Das ist schön! In Norwegen steht immer drauf: Krimi. Vielleicht sollten wir diesen Begriff einfach abschaffen! Das Gespräch führte Frank Keil, vielen Dank für die Erlaubnis das Interview hier beim Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien zu veröffentlichen. |
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