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Der
Autor Jógvan Isaksen |
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Literaturportal schwedenkrimi.de:
Es gibt nicht viele biografische Details über Sie. Ich weiß,
dass Sie 1950 auf den Färöer Inseln geboren worden sind; in
Dänemark studiert haben, dort geblieben sind, nun in Kopenhagen
leben und an der Universität von Kopenhagen färöische
Sprache und Literatur lehren. Können Sie diese Informationen für
den deutschen Leser ergänzen?
Jógvan Isaksen:
Als erstes studierte ich nordische Literatur an der Universität
von Aarhus und beendete mein Studium an der Universität von Kopenhagen
mit dem akademischen Grad Mag. Art. (es ist ein altmodischer Ausdruck
der im auslaufen begriffen ist, aber er ist zu vergleichen mit dem ph.d.
unserer Tage). Mein Spezialfach ist die färöische Literatur.
Nach einigen Jahren Forschung mit Stipendiat erhielt ich meine Stellung
als Lehrer an der Universität mit besonderem Bezug auf färöische
Sprache und Literatur. Während meiner Studienjahre wurde ich in
das Verlagswesen mit einbezogen und 1978 wurde ich der Vorsitzende des
ältesten Verlages auf Färöer, Mentunargrunnur Studentafelagsins,
der 1914 gegründet wurde. Seit damals bin ich der Leiter des Verlages
und wir sind der größte Verleger von färöischer
Literatur.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ich weiß außerdem, dass Sie am Arnamagnæn Institut
an der Universität von Kopenhagen arbeiten. Können Sie uns
erklären, was die Aufgabe dieses Institutes ist? Ich weiß,
dass es dort alte Manuskripte von Island und den Färöer gibt.
Jógvan Isaksen:
Die Aufgabe des Arnamagnæn Institutes ist es, in den alten isländischen
Manuskripten zu forschen und diese in wissenschaftlichen Editionen zu
veröffentlichen. Ich habe mit dieser Arbeit nichts zu tun und es
ist nur ein Zufall, dass der einzige Dozent in färöischer
Sprache außerhalb der Färöer Inseln an diesem Institut
ist.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Seit dem Jahr 2000 sind Sie der Chefredakteur von "Nordic Literature".
Ein Jahrbuch, dessen Ziel es ist, die nordische Zusammenarbeit dahingehend
zu entwickeln und zu intensivieren, um die nordische Literatur besser
bekannt und verfügbarer zu machen und die Zusammenarbeit zwischen
den nordischen öffentlichen Bibliotheken zu unterstützen und
zu festigen. Ihr erster Artikel als Chefredakteur war überschrieben
mit "Eine nordische Gemeinschaft?" Nun, sechs Jahre später,
sind Sie Ihren Zielen näher gekommen?
Jógvan Isaksen:
Ich denke nicht, dass wir unsere Ziele erfüllt haben, uns jedoch
vielleicht einen Schritt oder zwei in die richtige Richtung bewegt haben.
Buchtipp |
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Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ich denke, die nordische Literatur ist in einem Genre sehr erfolgreich.
Dem Kriminalroman. Angefangen hat es wohl mit Sjöwall/Wahlöö,
dann ist es ein wenig eingeschlafen und ist wieder durchgestartet mit
Henning Mankell. Und in seinen Fußstapfen veröffentlichten
viele nordische Kriminalschriftsteller in Deutschland. Aus Finnland,
Schweden, Norwegen und sogar aus Island und nun (oder wieder) von den
Färöer Inseln. Haben Sie diesen Erfolg erwartet? Und wie können
Sie Ihn erklären?
Jógvan Isaksen:
Ich habe nichts erwartet, als ich mein erstes Buch geschrieben habe.
Ich habe einige skandinavische Kriminalschriftsteller gelesen, zuallererst
und zuletzt Sjöwall/Wahlöö und ich mag den norwegischen
Schriftsteller Gunnar Staalesen. Aber am meisten schätze ich Raymond
Chandler und Dashiell Hammett. Obwohl ich versuche nicht so zu schreiben
wie diese, ist der Einfluß auf meine Bücher signifikant.
Gleichzeitig versuche ich, der färöischen Gesellschaft unserer
Tage Raum zu geben.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Sie schreiben Bücher über die färöische Literatur.
Ich denke, nicht viele Autoren von den Färöer Inseln wurden
in Deutschland veröffentlicht. Können Sie uns ein wenig über
die färöische Literatur erzählen? Ich habe zum Beispiel
gelesen, dass die Lyrik in der Literatur von den Färöer Inseln
vorherrscht. Auch habe ich gelesen, dass zwischen 1993 und 1998, insgesamt
794 Titel auf den Färöer veröffentlicht wurden, 58 davon
Erstveröffentlichungen von Prosa und 29 Gedichtsammlungen.
Jógvan Isaksen:
Während der letzten 20 Jahren haben wir etwa 150-170 Titel in färöisch
pro Jahr veröffentlicht. Eine große Zahl dieser Titel sind
Übersetzungen aus anderen Sprachen, aber ich würde denken,
dass ungefähr 30 ursprüngliche färöische Romane,
Kurzgeschichten und Lyrik Sammlungen sind. Einst überwog die Lyrik,
doch heute ist es ziemlich ausgewogen.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In einem Artikel, ebenfalls in "Nordic Literature", las ich
folgendes: "Die Menschen auf den Färöer suchen immer
noch nach dem Wesen ihrer Heimat: dem Klang der Färöer, der
korrekten färöischen Sprache, färöische Kunst und
einer färöischen Form des Ausdrucks. Eine große Gruppe
des färöischen kulturellen Lebens sucht nach ästhetischen
Idealen, die die ethnischen Konzepte einer regionalen und nationalen
Gemeinschaft verstärken." Hat diese Suche etwas mit der starken
dänischen Kultur und ihrem Einfluß zu tun?
Jógvan Isaksen:
Die Suche nach einer unvermischten färöischen Identität
hat etwas mit dem starken Einfluß der dänischen Sprache und
der dänischen Gesellschaft zu tun. Andererseits sind die färöische
und die dänische Identität ziemlich vermischt, und so ist
es nicht immer einfach zu sagen, was ist ursprünglich und was ist
importiert. Nahezu jede färöischen Familie hat Verwandte in
Dänemark und viele sind mit Dänen verheiratet. Wir benutzen
dies, um unsere Scherze darüber zu machen, dass von den glühend
heißen Republikanern beinahe alle dänischen Ursprungs sind.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Nun zu Ihrem Buch "Blið er summarnátt á Føroyalandi".
Es wurde in Deutschland zum ersten Mal im Jahre 1995 und als Neuausgabe
in diesem Jahr wieder veröffentlicht. Hat Sie dies gefreut und
wie können Sie sich diesen Umstand erklären. Ist die Zeit
für die nordische Kriminalliteratur nun besser im Sog von Mankell
& Co. als im Jahr 1995?
Jógvan Isaksen:
Der erste Verlag war ein sehr kleines Unternehmen während dieser
- Grafit Verlag - etwas größer ist, so dürften die Perspektiven
für den Roman etwas besser sein. Die Zeit wird es lehren.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ihre Hauptfigur Hannis Martinsson lebt auch in Kopenhagen. Er ist manchmal
sehr verärgert über seine Landsleute. Er schimpft mit ihnen,
klagt über die färöische Gesellschaft und die färöische
Regierung. Ich vermute, wer sich so über seine Heimat ärgert,
liebt sie sehr? Vermute ich richtig?
Jógvan Isaksen:
Meine Hauptperson ist bis in die Knochen Färöer - wie ich,
obwohl ich in Kopenhagen wohne - und das gibt ihm das Recht (wie Sie
sagen) auf seine Landsleute zu schimpfen. Auf den Färöer Inseln,
wie in den meisten Ländern auch, mögen wir es nicht von Fremden
belehrt zu werden, aber einer der unseren hat nahezu freie Hand. Und
das ist es, wovon ich profitiere.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Das Schreckliche kommt nicht von den Färöer Inseln. Es kommt
von außerhalb. Sogar aus der Vergangenheit. Ist es schwierig,
über Verbrechen auf den Färöer zu schreiben?
Jógvan Isaksen:
Es gibt nur wenig Verbrechen auf den Färöer Inseln - gravierende
Verbrechen natürlich. Im 17. Jahrhundert wurde ein Mann ermordet
und der nächste wurde um 1980 ermordet - 300 Jahre später!
So, wenn du etwas Gewalt haben möchtest, muß du sie importieren.
Aber du kannst immer jemanden aus der einheimischen Bevölkerung
in dein Schema einfügen.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ich vermute, der Schlüsselsatz in Ihrem Roman ist: " Der Tod
und das Geld wandern gemeinsam." Ist es so?
Jógvan Isaksen:
Äußerst oft ist Geld der Grund von Verbrechen, jedenfalls
wenn sie im größeren Umfang geschehen. Unter diesem Aspekt
könnte mein Motto lauten "Tod und Geld gehen zusammen".
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Sie unterrichten Literatur. Und Sie schreiben Kriminalromane. Ich denke,
Sie machen keinen Unterschied zwischen Hoch- und Trivialliteratur? Was
ist Ihr Verständnis von Literatur?
Jógvan Isaksen:
Ich unterscheide nicht zwischen Hoch und Trivialliteratur. Es gibt gute
Bücher und es gibt nicht so gute Bücher. Das Genre ist ohne
Bedeutung.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In einem Artikel, Betrachtungen über das Schreiben von Kriminalromanen,
schreiben Sie: "Warum einen Kriminalroman? Ich habe Kriminalromane
immer gemocht und ich habe eine große Anzahl von ihnen gelesen,
so hatte ich in dieser Hinsicht keine Zweifel." Und: "Alles
begann als Spiel." War Ihr erstes Buch ein großes Spiel für
Sie?
Jógvan Isaksen:
Mein erstes Buch war ein Spiel. Ich hatte wirklich keine Pläne
ein Buch zu schreiben, es war nur ein Spielen auf der Tastatur. Aber
nach ein paar Monaten hatte ich - immer noch spielend - den größten
Teil eines Romans geschrieben. Ich wusste nicht, ob er irgendwie gut
war, obwohl ich Bücher seit zwanzig Jahren rezensiert habe und
so schickte ich es meinem Vater. Er dachte es sei gut und so veröffentlichte
ich es. Es wurde ein großer Erfolg, welcher mich verblüffte.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Nun schreiben Sie am dritten Buch mit der Hauptperson Martinsson. Ich
habe noch weitere Bücher von Ihnen gefunden. Es sind: "Gráur
oktober" - ein Detektivroman, der auf den Färöer spielt.
Geschrieben nach klassischem Muster (und ich denke, es ist das nächste
Buch, das in Deutschland erscheinen wird); "Á ólavsøku"
ebenfalls ein Detektivroman und "Deyðin sendir april"?
Sind das alle Kriminalromane, die Sie geschrieben haben oder gibt es
noch andere?
Jógvan Isaksen:
Ich habe "Gráur oktober" (er wird voraussichtlich im
Jahr 2007 im Grafit Verlag veröffentlicht) und "Á ólavsøku"
- eine lange Kurzgeschichte oder ein kurzer Roman geschrieben. "Deyðin
sendir april" wurde von Einar Petersen geschrieben, der vor einigen
Jahren verstorben ist. Es ist nicht aus dem färöischen übersetzt.
Letzten Herbst veröffentlichte ich mein drittes Buch über
Hannis Martinsson und ich schreibe nun am vierten. Nummer drei heißt
"Krossmessa" (Kreuzmesse) und es handelt unter anderem über
den Kampf gegen brutale Umweltschützer. Es wurde das meist verkaufte
Buch im Jahre 2005 auf den Färöer Inseln.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Spielen alle Ihrer Kriminalromane auf den Färöer Inseln oder
spielen sie auch an anderen Orten?
Jógvan Isaksen:
Alle meine Kriminalromane spielen auf den Färöer Inseln.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Sind Sie der einzige Kriminalautor auf Färöer? Ich habe nur
einen weiteren Namen gefunden. Mina Reinert. Der Titel ihres Buches
ist "Duldar leiðir."
Jógvan Isaksen:
Ich bin nicht der einzige Kriminalschriftsteller auf den Färöer
Inseln aber doch beinahe. Mina Reinert hat ein Buch veröffentlicht
und der bereits erwähnte Einar Petersen zwei oder drei. Aber diese
Bücher sind bestens zweitklassig.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Die nordische Kriminalliteratur ist sehr beeinflußt worden durch
das schwedische Paar Sjöwall und Wahlöö. Es war der sozialkritische
Kriminalroman, der von diesen Autoren geschaffen wurde. Ich denke viele
nordische Schriftsteller folgten ihnen. Vermischt mit den Einflüssen
der amerikanischen hard-boiled Kriminalschriftsteller wie Chandler,
James. M. Cain und Hammett. Sie nannten Chandler Ihren Meister. Sind
das die zwei Pole zwischen denen Sie Ihre Kriminalromane schreiben?
Jógvan Isaksen:
Ich denke, ich habe diese Frage schon weiter oben beantwortet, aber
ich möchte betonen, dass ich, obwohl ich mich zwischen dem hard-boiled
amerikanischen Pol und dem sozial nordischen Pol bewege, habe ich kein
großes soziales Bewusstsein. In diesem Aspekt bin ich den Amerikanern
näher.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In dem Artikel, den ich oben erwähnt habe, gibt es einen Satz,
den ich zitieren möchte: "Dashiell Hammetts Hauptpersonen
sind vollkommen desillusioniert aber sie versuchen nach wie vor zu beseitigen,
was sie für Unrecht halten." Ist dies auch das Wesen Ihrer
Kriminalromane?
Jógvan Isaksen:
Genau!
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Sie schreiben auch Bücherkritiken. Nun sind Sie auf beiden Seiten.
Als Kritiker und als Autor. Was ist die bessere Seite?
Jógvan Isaksen:
Ich schreibe fast keine Rezensionen über Bücher mehr und stattdessen
bevorzuge ich es meinen Stoff selber zu schreiben.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Im Vorwort von "Nordic Literature" aus dem Jahre 2001 zitieren
Sie Bo Tao Micha?lis, dass das Genre (der skandinavische Kriminalroman)
Gefahr läuft, seine eigene Existenzberechtigung zu vergessen. Besteht
diese Gefahr in Ihren Augen noch?
Jógvan Isaksen:
Diese Gefahr besteht wenn du die Spannung vergisst und stattdessen nur
über soziale Ungerechtigkeiten schreibst.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Eine andere Gefahr, über die Sie in Ihrem Vorwort schreiben ist,
das ohne "suspense", diesem Element von Aufregung und Unsicherheit,
der Kriminalroman das totale Untertauchen in den düsteren Gewässern
der faden Literatur riskiert, wo die Apostel der Langeweile ihren Botschaften
von überernsthafter Selbstvertiefung freien Lauf lassen - oft zu
nahe den fremden Rezepten verhaftet. Haben Sie die Befürchtung,
dass der Kriminalroman seine Wurzeln verliert?
Jógvan Isaksen:
Es gibt vielerlei Arten von Kriminalromanen und Gott sei gedankt dafür.
Doch ich habe keine Befürchtung, daß der Kriminalroman als
solches seine Wurzeln verliert. Wir mögen keine Gerechtigkeit bekommen
aber erhalten eine Erklärung und dazwischen etwas Aufregung.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Haben Sie Angst, dass diese Flut von skandinavischen Kriminalromanen
die Leser überschwemmen und diese eines Tages genug davon haben?
Ich denke vor allem an die deutschen Leser, da hier jeden Monat viele
Schriftsteller aus Skandinavien ihre Bücher veröffentlichen.
Gute und nicht so gute Bücher.
Jógvan Isaksen:
Eines Tages wird der deutsche Leser vermutlich der nordischen sozialen
Gewissenhaftigkeit müde werden aber es gibt alle Arten von Schriftstellern
in den skandinavischen Ländern so wird das Interesse wahrscheinlich
nicht vollständig verschwinden.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In demselben Vorwort zitieren Sie P.D. James mit drei maßgeblichen
Bestandteilen des Genres: "die Katharsis durch sorgfältig
kontrollierten Schrecken, das Bringen von Ordnung in die Unordnung,
die Bestätigung das wir in einem verständlichen und moralischen
Universum leben und dass, obwohl wir keine Gerechtigkeit durchsetzen
können, so können wir wenigstens eine Erklärung und eine
Lösung leisten." Kennen Sie noch mehr Bestandteile oder haben
Sie ein typisches skandinavisches Element, um Kriminalromane zu schreiben?
Jógvan Isaksen:
In der Antwort auf die vorangegangene Frage bin ich der Meinung von
P.D. James und ich denke nicht, dass ich ein spezielles skandinavisches
Element in meinem Schreiben von Kriminalliteratur habe. Oder?
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Zum Schluß die berühmte Inselfrage: Welches Buch, Film und
Musik würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
Jógvan Isaksen:
Mein erste Liebe waren Kriminalromane darunter auch Sherlock Holmes
doch ich denke ich würde Raymond Chandlers "The little sister"
von 1949 auswählen, John Hustons "The Maltese Falcon",
von 1941 und für die Musik eine CD mit einigen Balladen von den
Färöer Inseln. Westküstenamerika und die Färöer
Inseln sind ein ausgezeichnete Melange.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Wir bedanken uns für dieses Gespräch.
Autor: Jürgen Ruckh/ Esslingen
© April 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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