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Mari Jungstedt erzählt a propos ihres aktuellen
Krimis "An einem einsamen Ort", warum ihr die Psychologie
wichtiger ist als das Gesellschaftskritische und gibt auch sonst den
"Hitchcock". Literaturportal schwedenkrimi.de: Ursprünglich sind Sie Journalistin. Arbeiten Sie noch immer in diesem Beruf oder sind Sie inzwischen "Vollzeit-Autor"? Mari Jungstedt: Weihnachten habe ich meinen Job beim Schwedischen Fernsehen gekündigt und arbeite seitdem ausschließlich als Autorin. Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie hat sich Ihr Leben verändert, seitdem Sie auch als Krimiautorin bekannt sind? Mari Jungstedt: Die Arbeitstage sehen natürlich komplett anders aus. Nun bestimme ich selbst über meine Zeit. Plötzlich habe ich sehr viel Zeit zum Recherchieren, was ich sehr spannend und interessant finde. Außerdem habe ich die Möglichkeit, mich als Schriftstellerin zu entwickeln, weil ich nun meine gesamte Arbeitszeit den Büchern widmen kann. Den Job beim Fernsehen vermisse ich eigentlich nicht. Im Gegenteil. Ich genieße die Stunden, die ich in Einsamkeit mit meinem Manuskript verbringen kann. Außerdem habe ich seitdem eine Menge andere Autoren kennen gelernt und wir tauschen Erfahrungen und Gedanken aus und muntern uns gegenseitig auf. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ihre Krimis spielen alle auf Gotland, wo Sie auch die Sommer verbringen. Was ist es, das Gotland so besonders macht? Warum könnten Ihre Krimis nicht auch woanders spielen? Mari Jungstedt: Gotland ist aufgrund verschiedener Eigenschaften das perfekte Krimimilieu. Zum einen weil Gotland eine Insel ist, eingeschlossen, abgeschnitten vom Rest der Welt mit der Küste, die wie ein Kreis um die Insel verläuft. Das vermittelt ein Gefühl von Begrenztheit, "man ist, wo man ist", die Menschen und Orte haben eine Beziehung zueinander. Das Böse kommt in dieser kleinen Gesellschaft näher. Zum anderen hat Gotland eine fantastische Natur mit dieser kargen, vom scharfen Wind gekennzeichneten Landschaft, die endlosen Sandstrände, die nebeligen Moorböden, die Kalksteinklippen, die steil zum Meer hinabfallen Auch das historische Gotland spricht mich an. Die Stadt Visby, die von einer Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert umringt wird, die Ruinen mitten in der Stadt und die mittelalterlichen Häuser. Auch auf dem Land wird man ständig an das historische Gotland erinnert, in Form von 92 Kirchen, Wallgräben und Schiffssetzungen. Außerdem bin ich mit einem Gotländer verheiratet, und wir haben viele Verwandte auf der Insel (meine Kinder haben 27 gotländische Cousins und Cousinen), wir haben auch ein Sommerhaus auf Gotland, in dem wir jedes Jahr mehrere Monate verbringen - eigentlich war ich in Gotland verliebt, seitdem ich ein Kind war. Literaturportal schwedenkrimi.de: Reicht denn Gotland als Inspirationsquelle, um darauf eine ganze Existenz als Autor zu begründen oder können Sie sich auch vorstellen, Ihre literarische Landschaft zu erweitern?
Ja, ich denke schon das Gotland ausreichend ist. Es gibt unglaublich viel, von dem man sich inspirieren lassen kann, aber man kann auch weiterschauen. Das habe ich in meinem letzten Buch "Den döende dandyn" (Der sterbende Dandy) getan, der in der Kunstwelt spielt. Ein Teil des Romans spielt in Stockholm, auch wenn Gotland die Basis des Erzählens bildet. Literaturportal schwedenkrimi.de: "An einem einsamen Ort" war der erste Roman, den ich von Ihnen gelesen habe. Das Motiv des Krimis erinnerte mich an z.B. an Henning Mankells "Falsche Fährte", Unni Lindells "Die Nachtschwester" oder auch an Camilla Läckbergs "Der Prediger von Fjällbacka", Romane, in denen das Mordmotiv auch in der Vergangenheit bzw. Kindheit der Mörder begründet liegt. Verglichen damit jedoch, muss ich zugeben, fand ich "An einem einsamen Ort" schwach, es ging nicht so unter die Haut. Was finden Sie selbst: Worin liegt die Stärke Ihres Buches? Mari Jungstedt: Ich finde, dass die größte Stärke des Buches seine Spannung ist. Das Tempo, das stetig heraufgeschraubt wird, die effektive Sprache. Hoffentlich wird auch der Leser von den Personen emotional ergriffen och sorgt sich darum, was mit ihnen passiert. Die Intrige bringt die Archäologie auf Gotland mit dem alten Asenglauben und gegenwärtiger Religion in Verbindung, was ich sehr faszinierend finde. Ich finde auch, dass das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern sehr interessant ist. Literaturportal schwedenkrimi.de: Die Charaktere in Ihrem Krimi sind recht zahlreich. Wie wichtig sind Ihnen die Beziehungen der Figuren untereinander in einem Roman? Was ist es, was Sie dadurch veranschaulichen wollen?
Das Schildern von Beziehungen ist sehr wichtig für mich. Ich habe den Anspruch, mehr als "nur" eine spannende Krimigeschichte zu erzählen. Darum geht es in meinen Krimis immer auch um etwas anderes, etwas, das über die reine Mordintrige und die Jagd nach dem Mörder hinausgeht. Ich möchte, dass der Leser den Eindruck einer spannenden Geschichte hat, die für eine Weile gute Unterhaltung bietet, aber auch, dass etwas übrig bleibt, nachdem das Buch gelesen ist. Ein Problem oder ein Dilemma. Ich erzähle auch von einer Liebesgeschichte zwischen dem Fernsehjournalisten Johan Berg und der gotländischen Lehrerin Emma Winarve, weil ich finde, dass diese den Büchern eine weitere Dimension hinzufügt und etwas über unsere Gegenwart aussagt. Mittels deren Liebeswirrwarr kommt man ihnen auch als Leser auf eine Art noch näher. Literaturportal schwedenkrimi.de: Was würden Sie selbst sagen: Stehen Sie in der Nachfolge von Sjöwall/Wahlöö, Mankell oder Marklund derart, dass auch Sie gesellschaftskritische Themen aufgreifen wollen oder spielen diese keine so große Rolle für Ihr schriftstellerisches Werk? Mari Jungstedt: Ich habe im Großen und Ganzen kein Bedürfnis, gesellschaftskritisch zu sein. Für mich ist es wichtiger, von der Psychologie hinter dem Mord zu erzählen - was ist es, was einen Menschen so weit treibt, dass er zum Mörder wird? Welche psychologischen Faktoren verbergen sich dahinter? Für mich ist es interessanter, über die psychologischen Bedingungen der Menschen zu schreiben und wie wir von äußeren Faktoren beeinflusst werden, sowohl in unserer Kindheit als auch in der Gegenwart. Literaturportal schwedenkrimi.de: Was gab denn eigentlich seinerzeit den Ausschlag, mit dem Schreiben anzufangen, insbesondere mit dem Schreiben von Krimis? Mari Jungstedt: Ich hab wohl schon immer davon geträumt, zu schreiben. Nach 10 Jahren in einer Nachrichtenredaktion, wo man nur kurze Nachrichtentelegramme schreibt, hatte ich ein großes Bedürfnis, mich schriftlich auszudrücken. Nachdem unser Hausbau fertig war und die Kinder in die Schule kamen, hatte ich plötzlich Zeit über und habe angefangen, meinen alten Traum zu verwirklichen. Krimis sollten es sein, weil ich Krimis und Mysterien schon immer geliebt habe und ich finde, das Beste ist, wenn du ein Buch liest, dass so spannend ist, dass du es nicht mehr aus der Hand legen willst, sondern einfach weiter lesen musst. Außerdem fand ich Polizeiarbeit und Kriminaltechnik schon immer faszinierend. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ich habe gelesen, dass zwei Ihrer Krimis während des Sommers verfilmt wurden. Waren Sie während der Dreharbeiten dabei und hatten Sie die Möglichkeit, am Manuskript mitzuarbeiten? Mari Jungstedt: Ich habe es abgelehnt, am Manuskript mitzuarbeiten wegen Zeitmangels. Ich war aber an einigen Drehtagen dabei und es war unglaublich spannend und faszinierend, 100 Personen bei etwas "in Action" zu sehen, das ich mir in meiner kleinen Kammer ausgedacht habe. Dass außerdem so viele große schwedische Schauspieler dabei mitwirkten, machte das ganze noch schöner. Meine Kinder, mein Mann und mein Hund waren Statisten und ich selbst habe einen "Hitchcock" gegeben, das heißt, ich bin selbst in einigen Szenen flüchtig zu sehen. Literaturportal schwedenkrimi.de: Wie sieht die Zukunft für Mari Jungstedt, Anders Knutas, Johan Berg und die anderen aus? Wird es weitere Gotlandkrimis geben? Mari Jungstedt: Mein viertes Buch erscheint in Schweden am 5. September und am fünften arbeite ich bereits. So wie ich die Dinge heute sehe, gibt es keinen Grund, aufzuhören über Anders Knutas und die anderen zu schreiben. Damit werde ich weitermachen, so lange es Spaß macht und wichtig erscheint. Literaturportal schwedenkrimi.de: Vielen Dank für das Interview! Autorin: Alexandra Hagenguth/ © September 2006 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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