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"Blasse Engel" von Anders Roslund und Börge HellströmSo hart wie es die Realität erfordert
Der Ex-Fernsehjournalist Roslund und der Ex-Häftling Hellström schreiben keine Philosophie, kein Feel-Good- und kein Puzzle-Krimi, sondern einen Roman, so hart an der Wirklichkeit dran, dass es selbst beim Lesen schmerzt. Zwischen Wahrheit und LügeRoslund und Hellström erzählen in „Blasse Engel“ – anders als Helene Tursten in „Die Tote im Keller“ – konsequent aus der Sicht der beiden Zwangsprostituierten Lydia und Alena. Lydia, die junge Litauerin, muss als Zwangsprostituierte täglich zwölf Freier ertragen. Nie weniger. Drei Jahre lang. Jeden Tag. Als „Dimitri Scheißzuhälter“ sie mit 35 Peitschenhieben misshandelt, ruft das endlich die Polizei auf den Plan.
Sie bringt Lydia ins Krankenhaus, wo sie es schafft, mithilfe ihrer Freundin und „Kollegin“ Alena, der in dem allgemeinen Tumult die Flucht gelungen war, bis in die Pathologie vorzudringen und fünf Geiseln zu nehmen. Sie verlangt, dass der Polizist Bengt Nordwall, gleichzeitig bester Freund des ermittelnden Roslund-und-Hellström-Kommissars Ewert Grens, in die Pathologie kommt. Dort erschießt sie erst ihn, dann sich selbst. Lydia hinterlässt ein Video, das Bengt Nordwall in Sachen Zwangsprostitution und Menschenhandel schwer belastet. Ewert, hin- und hergerissen zwischen dem, was Recht und Gesetz verlangen und dem Wunsch, der Witwe seines Freundes die Wahrheit über ihren toten Ehemann zu ersparen, lässt das Video verschwinden und nimmt den Frauen damit ein weiteres Mal ihr Recht auf Selbstbehauptung und das, ihre Geschichte zu erzählen. Scham und SchandeDie schmerzhafte Suche nach der Wahrheit und die ebenso schmerzhafte Wahl zwischen einer Lüge aus edlen Motiven und der Wahrheit, die anderen zu ihrem Recht verhelfen würde, Platz einzunehmen (Blasse Engel, S. 226, S. 358) und gesehen zu werden (Blasse Engel, S. 224), spielen eine zentrale Rolle und konfrontieren Ewert Grens und die Leser mit einem moralischen Dilemma, auf das es keine einfache Antwort gibt, denn Roslund und Hellström präsentieren keine Lösung, sondern fordern heraus, Stellung zu beziehen. Daneben geht es vor allem um die Frage, was die TäterInnen antreibt. In „Blasse Engel“ sind es Gefühle wie Scham und Schande, die Auslöser für kriminelle Taten werden: „Die Schande treibt sie alle an. Wir sollten keine Verbrecher jagen. Wir sollten die Schande jagen, die die Verbrecher antreibt.“ (Blasse Engel, S. 156) So wird deutlich, dass jeder sein Päckchen zu tragen hat (Blasse Engel, S.156). Die einen blockieren ihre Gefühle der Scham und Schande mit zu viel Arbeit, die anderen mit Drogen und Alkohol. Am Ende aber müssen alle sich für die Wahrheit oder eine andere (Blasse Engel, S.295), mit der die Lügen kommen (Blasse Engel, S. 295), entscheiden. Und nicht immer sind die Dinge so, wie sie scheinen. „Blasse Engel“ ist ein hartes Buch, das noch lange, nachdem die letzte Seite gelesen ist, nachhallt.
Vielen Dank an Alexandra Hagenguth © März 2008 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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