Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Interview mit dem Autoren Henning Mankell

"Das ist genau das, was Bin Laden wollte"

Mit seinen sozialkritischen Kriminalromanen feiert der schwedische Schriftsteller Henning Mankell weltweit Erfolge. Mit SPIEGEL ONLINE sprach der auch in Afrika lebende Bestseller-Autor über die seiner Meinung nach arrogante Haltung der USA im Kampf gegen den Terrorismus und die Zukunft seines Kultkommissars Kurt Wallander.

SPIEGEL ONLINE: Herr Mankell, was halten Sie von dem Wallander-Boom in Deutschland?

Henning Mankell: Ich bin dankbar und glücklich, dass ich so viele Leser habe. Das ist der Grund, weshalb ich schreibe. Aber der Erfolg ändert nicht sehr viel in meinem Leben, allenfalls, dass ich häufig auf Reisen gehe und viel Zeit in Deutschland und der Schweiz verbringe.

SPIEGEL ONLINE: In Ihrem gerade veröffentlichten Wallander-Roman "Die Brandmauer" haben Sie neue Dimensionen des Terrors beschrieben. Eine kleine Gruppe von Menschen versucht, durch Computermanipulationen die Weltherrschaft an sich zu reißen. Waren Sie eigentlich überrascht von den Terrorattacken auf die USA?

Filmszene  Szene aus dem Film

Mankell: Das Erste, was ich dachte, war nur: Was für eine fürchterliche Geschichte, das ist der Horror. Der nächste Gedanke war aber: Ich bin nicht überrascht, ich habe darauf gewartet und es kommen sehen. Die Kluft zwischen Armen und Reichen wird seit vielen Jahren immer größer. Die Armen haben nichts zu verlieren. Die Vereinigten Staaten haben sich, so fürchte ich, in vieler Hinsicht ziemlich arrogant verhalten. Die einzige Möglichkeit ist, den riesigen Problemen ins Auge zu sehen. Wir müssen den Palästinensern einen eigenen Staat geben. Wir müssen das Problem der Armut lösen. Wir müssen das Aids-Problem anpacken. Und wir müssen die Emanzipation der Frauen stärken. Das sind die einzigen Möglichkeiten, die wir haben.

SPIEGEL ONLINE: Woher hatten Sie die detaillierten Computerkenntnisse für "Die Brandmauer"?

Mankell: Ich habe die Informationen von einem Hacker. Er ist gerade erst 19 Jahre alt, und es war sehr lustig, mit ihm zusammenzuarbeiten, weil er so clever ist. Heute arbeitet er längst in den USA.

Filmszene  weitere Szene aus dem Film

SPIEGEL ONLINE: In "Die Brandmauer" beschreiben Sie einen schwedischen Computerspezialisten, der sich so wie die arabischen "Schläfer" in Hamburg auf seinen Einsatz in aller Stille vorbereitet. Durch die aktuellen Ereignisse wurde Ihr Buch, das schon 1996 entstand, in beunruhigender Weise bestätigt. Fühlen Sie sich wie ein Prophet?

Mankell: Ein bisschen schon. Ich versuche in meinen Geschichten Dinge aufzugreifen, bevor sie passieren, so dass sich die Leute darauf vorbereiten können. Das Schwierige ist nur: Die meisten Leute hören nicht zu.

SPIEGEL ONLINE: Es gibt eigentümlicherweise wenig Protest gegen den Afghanistan-Krieg, während es nach den Terroranschlägen in den USA viele Kundgebungen und Demonstrationen gegeben hat ...

Mankell: In Schweden gibt es Proteste. Auch ich bin gegen diesen Krieg. Es bringt überhaupt nichts. Es muss andere Wege geben, um die Taliban zu stürzen. Wir müssen meiner Ansicht nach die Armut dort bekämpfen. Dann werden die Leute nämlich aufstehen und gegen ihre Unterdrückung durch die Taliban kämpfen. Vielleicht dauert das fünf oder auch zehn Jahre. Aber die Bomben werden gar nichts lösen. Was jetzt in Afghanistan passiert, ist Terror. Das ist genau das, was Bin Laden wollte.

SPIEGEL ONLINE: In Deutschland wird über ein umfassendes Sicherheitspaket gegen den Terror diskutiert. Brauchen wir effektivere Gesetze?

Mankell: Wir müssen verschiedene Dinge anpacken. Unsere Gesellschaft soll geschützt werden. Dazu gehört es auch, dass wir zum Teil unsere Gesetze ändern. Doch das eigentliche Problem, das wir lösen müssen, ist die Kluft zwischen Arm und Reich. Wir können Bin Laden finden und ihn töten. Aber wir werden 50 andere Bin Ladens haben, wenn wir die Armut nicht in den Griff bekommen können.

Wir werden Billionen investieren müssen, um das furchtbare Leid der Leute stoppen zu können. Die USA müssen sich dieser Verantwortung endlich stellen. Die USA sind für die Armen in der Welt das Synonym für Reichtum, nicht die Europäer. Auf CNN gibt es eine Menge Propaganda für den amerikanischen Lebensstil. Täglich wird den Leuten in aller Welt deutlich gemacht: "Wir Amerikaner sind die Reichsten und Größten in der Welt." Dafür werden die Amerikaner gehasst.

SPIEGEL ONLINE: Nach "Die Brandmauer" wird es keine weiteren Wallander-Romane geben. Warum lassen Sie so eine erfolgreiche Figur in den Ruhestand gehen?

Mankell: Ich wollte so lange an dem Stoff arbeiten, wie er für mich interessant war. Jetzt gibt es andere Projekte.

SPIEGEL ONLINE: Kurt Wallanders Tochter Linda wird in die Fußstapfen des Vaters treten ...

Mankell: Ja, das wird sie. Aber ich kann dazu nichts sagen, bevor das Buch nicht da ist. Ich spreche nie über einen Roman, den ich noch nicht geschrieben habe. Wallander wird weiterhin existieren, aber im Hintergrund.

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SPIEGEL ONLINE: Wie haben die schwedischen Fans reagiert, als sie hörten, dass die letzte Folge der Wallander-Romane erscheinen sollte?

Mankell: Es gab unwahrscheinlich viele Reaktionen. In vielen Briefen wurde ich gebeten, doch weiterzumachen. Als ich dann aber in der Öffentlichkeit sagte, dass ich darüber nachdenke, über die Tochter zu schreiben, waren sie zufrieden.

SPIEGEL ONLINE: Sie sind am 19. November bei einer Lesung in Berlin. Lesen Sie gerne vor?

Mankell: Ich lese niemals vor. Ich diskutiere mit den Leuten. Ich mag nicht gerne vorlesen, denn die Leute können meine Bücher selbst lesen.

SPIEGEL ONLINE: Sie sagten einmal in einem Interview, dass die Europäer zu viel fernsehen. Wie passt denn das mit der Verfilmung ihrer Bücher zusammen?

Mankell: Habe ich das gesagt? Ja, ich glaube schon. Das Problem ist, dass viele Leute sehr unkritisch fernsehen. Sie denken überhaupt nicht darüber nach, was sie da machen. Manchmal verhalten sich diese Leute so, als würden sie ewig leben, wenn man sie da vor der Glotze sitzen sieht, eine Stunde nach der anderen. Ich schaue gerne Fernsehen, aber genauso gerne schalte ich es ab.

SPIEGEL ONLINE: Mit dem Film erreichen Sie aber mehr Menschen.

Mankell: Das ist richtig und ein bisschen schwierig für mich als Autor. In Schweden haben 1,7 Millionen Zuschauer den ersten Teil von "Die falsche Fährte" gesehen. Das ist eine verrückte Quote bei acht Millionen Einwohnern. Etwa so, als hätten 20 Millionen Leute in Europa zugeschaut.

SPIEGEL ONLINE: Sie haben das Drehbuch für "Die falsche Fährte" selbst geschrieben. Wollten Sie alles unter Kontrolle haben?

Mankell: Ich wollte die Drehbücher zu dem geplanten Film gar nicht schreiben. Ich fand es erst ziemlich langweilig, schon wieder damit anzufangen. Aber dann habe ich mit den Filmleuten gesprochen und mich dann für dieses Buch entschieden. Nur so zum Spaß. Ich habe schon viele Drehbücher geschrieben, die nicht auf Bücher von mir zurückgingen.

SPIEGEL ONLINE: Finden Sie, dass der schwedische Schauspieler Rolf Lassgård der ideale Darsteller Ihres Romanhelden Kurt Wallander ist, der ja mittlerweile eine Kultfigur ist?

Mankell: Ich habe ihn ausgewählt. Ich wollte nur ihn haben, keinen anderen.
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SPIEGEL ONLINE: Warum nur ihn?

Mankell: Wallander sollte immer von ein und demselben Schauspieler gespielt werden. Und wenn Rolf Lassgård ihn nicht mehr spielen will, dann gibt es eben keine Filme mit Kurt Wallander mehr. Ich kenne Rolf gut, ich habe ihn viele Male im Film und auf der Bühne gesehen. Wir stammen aus der gleichen Generation, haben uns oft getroffen und sind Freunde. Das andere ist seine Physiognomie: So muss Wallander aussehen, habe ich selbst immer gedacht. Es gibt niemanden in Schweden, der nicht festgestellt hat, dass er der perfekte Wallander ist.

SPIEGEL ONLINE: Mit dem Geld, das Sie für den Verkauf der Filmrechte erhalten, unterstützen Sie das Theater in Mosambik, dessen künstlerischer Leiter Sie sind.

Mankell: Ich rede nicht gerne darüber. Das Theater ist natürlich sehr arm, und ich freue mich, dass ich den Leuten dort unter die Arme greifen kann.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet Ihnen das Theater?

Mankell: Es ist sehr wichtig für mein Leben. Einige meiner engsten Freunde gehören dort zu den Darstellern.

SPIEGEL ONLINE: Was können wir von den Menschen in Afrika lernen?

Mankell: In unserer westlichen Welt sprechen wir immer nur über die Zukunft. Was kommt dann und was ist jetzt. Wir haben keine Zeit für die Vergangenheit. Wir müssen uns immer nach vorne orientieren. Und wir verlieren gleichzeitig den Bezug zur Geschichte. Die Afrikaner legen großen Wert auf ihre Geschichte und auf ihre Traditionen.

SPIEGEL ONLINE: Kinder spielen in Ihren Bücher eine sehr wichtige Rolle, manchmal verkörpern sie sogar das absolut Böse wie in dem Roman "Die falsche Fährte"?

Mankell: Eines der absolut wichtigsten Dinge in unserem Leben ist es, uns mit der nächsten Generation auseinander zu setzen und vor allem mit ihnen zu sprechen. Es gibt so viele junge Menschen in Europa, die fühlen, dass sie niemals willkommen sein werden, und sie reagieren mit Aggressivität. Deshalb schreibe ich über Kinder und Jugendliche, um zu zeigen, wie es ihnen heute geht, was für große Probleme sie haben.

SPIEGEL ONLINE: Was geben Sie Ihren eigenen vier Kindern für einen Rat, um im Leben klarzukommen?

Mankell: Das Wichtigste ist doch, dass die Eltern mit ihnen zusammen sind, dass sie für sie da sind und ihnen Sicherheit geben. Trotzdem müssen sie ihren eigenen Weg finden.

Das Interview führte Kerstin Schneider, danke für die Abdruckerlaubnis.
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