|
|
"Kerzenständer der Sonne"
Bild: Viktor Arnar Ingólfsson |
|
"Späte Sühne"(Sólstjakar), der neue Kriminalroman von Viktor Arnar Ingólfsson spielt teilweise in Deutschland. In Berlin gibt der isländische Botschafter in einer Sonntagnacht eine unerwartete Party, als nur noch acht Gäste und er sich im Botschaftsgebäude aufhalten. In der Nacht, als alle Gäste weggegangen sind, wird eine Leiche im Gebäude gefunden ...
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Was bedeutet der isländische Originaltitel "Sólstjakar"?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Im Jahre 2008 nahm die isländische Keramikkünsterlin Margrét Jónsdóttir Kontakt zu ein paar Schriftstellern auf und fragte sie um Hilfe bei einem Teil ihrer Ausstellung "White Shadows". Margret bat um eine Beschreibung eines keramischen Objektes, welches sie dann anfertigen wollte, um es in ihrer Ausstellung zu zeigen. Ich arbeitete zu der Zeit an „Sólstjakar“ und bekam die Idee, zwei Kerzenständer als Requisiten zu benutzen. Margret erhielt meine Beschreibung und sie fertigte die Kerzenständer für ihre Ausstellung an. „Sólstjakar“ ist ein Name, den ich kreiert habe und er bedeutet "Kerzenständer der Sonne".
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Die Idee zu der Handlung trägst Du schon seit einigen Jahren, um genau zu sein seit 2006, mit Dir herum. Die Grundidee, der Mord in der isländischen Botschaft, ist erhalten geblieben. Wie viele Entwürfe hat es gebraucht, um schließlich zu der endgültigen Fassung zu kommen?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Es war eine lange Reise. Zuerst war die Idee die isländische Botschaft viel länger in der Geschichte zu benutzen. Ich besuchte Berlin und ich las viele Bücher über Gebräuche und Umgangsformen in den diplomatischen Kreisen. Ich schrieb viele Absätze über diese Dinge aber als sich die Geschichte entwickelte, ging sie in eine andere Richtung. Die Szenen über die Botschaft verschwanden eine nach der anderen. In der endgültigen Fassung ist es nur der erste Teil der Geschichte, welcher die Botschaft als Schauplatz aufweist.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Im Roman taucht auch die isländische Finanzkrise auf. Verluste bei Börsengeschäften usw. Hast Du diesen Aspekt der Handlung nachträglich eingeführt?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Sie kommt als brauchbares Szenario zur Sprache. Aber nur im Hintergrund. Dies ist keine Geschichte über den Finanzkollaps.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Der ermordete Großindustrielle ist kein Mensch, mit dem man unbedingt Mitleid haben muss. Ein Päderast, reich und gefühllos. Ist diese Figur Deine Antwort auf die isländische Wikinger-Manager?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Nein, er ist nur ein kleiner Fisch, vergleicht man ihn finanziell mit den "Big Playern". Dies sind ganz andere Gauner und für mich uninteressant.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Beim Lesen Deiner Kriminalromane fällt mir auf, dass es immer zwei Ebenen in Deinen Geschichten gibt. Erstens die Gegenwart und zweitens die Vergangenheit, die miteinander verknüpft werden. Immer liegt die Lösung des Falles, in dem, was vor Jahren oder sogar vor Jahrzehnten geschehen ist. Was reizt Dich an dieser Konstruktion?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Für mich ist es sehr wichtig ein nachvollziehbares Motiv in der Handlung zu haben. Die Suche danach nimmt mich sehr oft mit in die Vergangenheit. Es macht auch sehr viel Spaß darüber zu schreiben und zu recherchieren.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ist der Roman "Späte Sühne" in erster Linie ein Polizeiroman oder ein "Mysterie"-Krimi? Ein Krimi im Stil von Agatha Christie, das heißt ein kleiner Personenkreis, ein überschaubarer Tatort und jeder hat ein Motiv, das Verbrechen zu verüben oder doch eher ein Polizeiroman, wie zum Beispiel die Romane von Ed McBain?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Ich denke, dass sich meine Geschichten zu dem "Polizeiroman-Genre" hin entwickeln, die Ed McBain beherrscht. Ich habe vor, mehr über meine zwei Reykjaviker Kriminalbeamte zu schreiben und die Figuren weiter zu entwickeln. Aber ich möchte immer nach neuen Blickwinkeln in den Geschichten suchen. Es ist hart heutzutage originär zu sein, wenn so viele Krimis veröffentlicht werden, sogar in Island, doch es ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Ich hoffe ich finde Geschichten, die sich sonst niemand überlegt hat.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Gunnar sorgt in dem Buch für die komischen Momente. Er wird kräftig demoliert, bekommt einiges ab im Laufe der Geschichte. Eigentlich ist er am Schluß des Buches arbeitsunfähig. Trotzdem löst er einige Fäden des Falles auf. Wieso muss Gunnar in dieser Geschichte so viel einstecken?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Es war nicht geplant Gunnar zu quälen. Es passierte, als sich die Geschichte entwickelte und schließlich wurde es zu einem Thema, worüber zu schreiben Spaß machte. Nun, da ich über die gleichen Figuren, in allen meinen Büchern schreiben werde, ist es wichtig, sie zu begleiten. Sie müssen interessant sein. Ich mag meine Figuren und genieße die Zeit, die ich mit ihnen verbringe. Das ist nicht immer so bei Schriftstellern. Manchmal kann man es fühlen, dass ihre Spürhunde sie zu Tode langweilen. Dann müssen die Autoren sie töten oder sie verheiraten.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
In dem Roman gibt es mehrere Verbrechen. Ausgelöst durch Leidenschaft, Rache und Habgier. Wobei das Verbrechen aus Habgier eher so nebenbei geschieht. Was reizt Dich an Verbrechen, die durch starke Gefühle entstehen?
Buchtipp |
|
Viktor Arnar Ingolfsson:
Es müssen starke Motive sein, welche die Figuren dazu bringen zu tun was immer sie tun. Rache kann eines sein und Habgier ein anderes. Die menschliche Handlungsweise ist immer ein interessanter Aspekt, um ihn zu erforschen.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Ebenfalls bemerkenswert ist Deine Liebe zum Detail. Zum Beispiel, die Idee mit dem Kerzenständer. Wie kommt man auf diese Details. Bist Du ein "Schreibtüftler"? Wie wichtig sind für Dich diese Details?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Ich bin erfreut, dass Du dies anschneidest. Details sind sehr charakteristisch für mein Schreiben und irgendetwas daran mag ich sehr. Es ist eine Herausforderung an Gegenstände und Umgebungen zu denken, um dann die kleinsten Details zu beschreiben, so dass der Leser oder Leserin das gleiche Bild in seinem oder ihrem Geist sehen kann. Einige Leser mögen dies langweilig finden doch andere und viele, die wieder zu einem Buch von mir greifen, mögen dies sehr. Ich selbst lese gerne Geschichten, die auf diese Weise geschrieben sind und für einen Schriftsteller ist es sinnvoll Geschichten zu schreiben, die er auch gerne lesen würde.
Literaturportal schwedenkrimi.de:
Die Buchmesse in diesem Jahr ist vorbei. Nächstes Jahr ist Island Gastland. Was erwartest Du Dir davon. Wirst Du in Frankfurt dabei sein evt. mit einem neuen Buch?
Viktor Arnar Ingolfsson:
Frankfurt 2011 ist im Begriff eine sehr wichtige Bühne für die isländischen Autoren und Autorinnen, Künstler und für die isländische Bevölkerung im allgemeinen zu werden. Das nationale Selbstwertgefühl war nach dem Finanzkollaps sehr gering. Frankfurt 2011 wird die Chance sein, um zu zeigen, dass Island nicht nur aus bankrotten Finanzorganisationen und aus Vulkanen, die Flugverbote verursachen besteht sondern auch leistungsfähige, kreative und talentierte Menschen besitzt, die viel zu zeigen und zu erzählen haben. Ich hoffe, dass ich selbst auch eine Rolle in Frankfurt spielen werde. Ich habe zwar kein neues Buch zum Veröffentlichen aber ich werde die Angelegenheit mit meinen Verleger diskutieren. Ich arbeite stetig an meinen Deutschkenntnissen, so dass ich in der Lage bin, am Programm teilzunehmen oder wenigstens ein Bier ordentlich an der Theke zu bestellen.
Autor: Jürgen Ruckh/ Esslingen
© Oktober 2010 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |