Leseprobe aus "Das Werk des Staatsministers"
... "Mein Schwager, Studienrat Persson, Anwalt Burlin",
versah der Staatsminister seinen Dienst, und Arme wurden ausgestreckt
und Hände geschüttelt, und ich wünschte mit einem Mal,
ich hätte meinen sehr abgetragenen, hundefreundlichen Mantel abgelegt.
"Ein wirklich wunderbarer Tag", sagte Anwalt Burlin, und die
Worte klangen entschlossen und schön, als kämen sie von einer
alten Standuhr. Das Haar an den Schläfen wuchs ungewöhnlich
gerade nach oben und bildete gewissermaßen je einen Kamm auf jeder
Seite um den spärlich bewachsenen Schädel. Die Augen waren grau,
der Blick forschend, vertrauenserweckend. Anwaltsaugen: "Komm mit
deinen Sorgen und Problemen zu mir. Ich werde dir helfen und deine Geheimnisse
für mich behalten
"
"Meine Frau und ich haben uns auf die andere Seite der Hütte
gesetzt. Da ist es ruhig und angenehm warm, die Sonne wird durch die Kiefernzweige
gemildert. Aber Herr Persson, Sie müssen meine Frau begrüßen!"
Ich war schon auf dem Weg um die Ecke. Konnte es möglich sein, dass
das Paar gefunden hatte, wonach ich auf Lindö schon so lange vergeblich
gesucht hatte, ein Plätzchen, wo es weder zu kalt noch zu warm war?
Frau Burlin hatte sich erhoben und stand neben ihrem Stuhl, und die Sonne
leuchtete in ihrem Haar, und das Kleid umschloss den langen, gut gewachsenen
Leib, und die Zeit war stehengeblieben, und sie war nach wie vor schön.
Nicht glamourös schön wie ein Mädchen aus einem Film, aber
reif, charaktervoll, vollendet schön.
Ich musste dort wie ein Idiot gestanden und geglotzt haben.
"Was schauen Sie denn so erstaunt?" lachte sie. "Sie haben
mich bestimmt schon im Film gesehen, die sind jetzt alt genug fürs
Fernsehen."
Einer Frau Komplimente über vergangene Schönheit zu machen ist
wie Blumen auf eine Bahre zu legen. Hier war es angeraten, sich an das
Jetzt und die Zukunft zu halten.
"Aber warum spielen Sie nicht mehr? Sie sind jetzt schöner als
in Ihren Filmen!" rief ich aus, errötete und dachte verwirrt,
mein Gott, was fasele ich da nur, und Gott sei Dank habe ich den Mantel
und mein schulmeisterliches Äußeres, sonst hätte sie mich
vermutlich für den Wüstling der Insel oder für einen vom
Winde verwehten Gigolo emeritus gehalten.
"Danke
danke vielmals! Aber das stimmt wirklich nicht!"
"Doch, Kerstin, es stimmt. Herr Persson hat ganz recht."
Herr Burlin hatte den Arm um seine Frau gelegt und sah sie zärtlich
an. "Ich setze besser die Sonnenbrille auf, damit Sie so lange wie
möglich Ihre Illusionen bewahren können", lachte Frau Burlin
und durchwühlte ihre Handtasche. Nur drei Stühle standen an
der Hauswand, so dass der Staatsminister mit dem Blaubeergebüsch
vorlieb nahm.
"Kerstin, wir können auch gleich die große Neuigkeit verraten,
oder?" ...
Danke an den Stegemann Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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Leseprobe aus "Der Mord in Harpsund"
Anwalt Lindencrona, der sich als kleiner, glatzköpfiger Herr mit
vorstehenden Augen und schriller Stimme erwies, empfing uns sehr zuvorkommend,
obwohl wir unangemeldet kamen. Ein Klient von bäuerlichem Äußeren
und offensichtlich in die Klauen der Justiz geraten, so daß Lindencrona
sich nicht zu zieren brauchte, wurde in das Wartezimmer expediert und
wir aufs Sofa komplimentiert.
Der Anwalt hob an, den Staatsminister wegen eines neuen Gesetzes zu loben,
das er an den Mann gebracht hatte, und der Staatsminister erkundigte sich,
ob Anwälte wie Verbrecher nicht manchen Punkt zu beanstanden hätten.
Doch der Kahlköpfige versicherte, es sei durchweg gut und stellenweise
sogar vortrefflich.
Anschließend wurde das schnelle Ableben des Fabrikdirektors erwähnt,
und wir schüttelten in einer Minute des Anstandes unsere Köpfe
in der Verwunderung über die Hinfälligkeit des Lebens und die
Unsicherheit des Daseins, bis der Staatsminister mit einer Miene wie unter
seinen Juristenkollegen üblich vorpreschte und nach dem Testament
und dem Vermögen des Verstorbenen fragte.
"Ja, ich weiß nicht, ob ich
"
Der
Anwalt ordnete ein wenig seine Stifte. Aber dann legte er entschlossen
los, als sei er zu der Überzeugung gelangt, es komme einem Provinzanwalt
nicht zu, vor seinem Justizminister Geheimnisse zu hegen.
"Einen vollständigen Überblick über die finanziellen
Verhältnisse des Fabrikdirektors Lindberg habe ich mir nicht verschafft,
doch soviel erlaube ich mir zu sagen, daß es gut, sehr gut darum
bestellt ist. Zum einen hat er eine sehr ansehnliche Pension von seiner
alten Firma bekommen,zum anderen hat er Aktien in einem Nennwert von rund
einer Million Kronen besessen. Das Grundstück wird auf einhundertfünfzigtausend
Kronen geschätzt, kann aber beim Verkauf mit Sicherheit das Doppelte
einbringen. Auf welche Summe sich seine Bankguthaben belaufen, wage ich
nicht zu sagen, ich nehme aber aus guten Gründen an, daß sie
nicht unbedeutend sein werden."
Der Anwalt hatte sich über Wertpapiere und Anlagen verbreitet, als
verkoste er einen edlen Wein.
"Ein Testament hingegen liegt nicht vor! Nein, wirklich nicht. Aber
Gott weiß, daß ich nichts unversucht gelassen habe, um ihn
dazu zu bewegen. Es ist in der Tat merkwürdig, wie leichtsinnig sogar
alte, gewiefte Geschäftsmänner in diesen Dingen sind!"
Anwalt Lindencrona legte bei diesen Worten die Hände zusammen wie
zu einem Gebet um Geduld und Kraft im Kampf gegen die rohe, juristisch
ungebildete Masse.
"Es bedeutet natürlich, daß der Sohn alles erbt?"
Buchtipp |
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"Selbstverständlich. Erst vergangenes Frühjahr habe ich
das Thema zur Sprache gebracht, als ich den Herrn Fabrikdirektor anläßlich
einer Aktienemission aufgesucht habe. Ich habe ihn darauf hingewiesen
- selbstverständlich mit sehr viel Taktgefühl -, daß achtzig
Jahre ein hohes Alter seien und ich mich fragte, ob er nicht einige Freunde
mit einer Erinnerungsgabe bedenken wolle. Der Zustrom und die Stimmung
bei der Beerdigung pflegen sich in der Tat ganz anders zu gestalten, wenn
ich den Trauernden unter der Hand dergleichen habe mitteilen können,
doch der alte Herr hat gesagt, ja, geschrien, ist wohl der passendere
Ausdruck - für sein Alter hat er ein wirklich bewunderswert starkes
Organ gehabt -, daß achtzig Jahre nicht der Rede wert seien und
der Arzt ihm mitgeteilt habe, daß er mindestens an die neunzig Jahre
alt werde.
Ich habe jedoch nicht lockergelassen und ihn darauf hingewiesen, daß
er wenigstens an seine alte Schwester denken solle, die ihm all die vielen
Jahren eine treue Stütze gewesen ist und die kein eigenes Vermögen
hat. Es ist doch selbstverständlich, daß der Junge Mommy
dort wohnen läßt, so lange sie will, hat er geantwortet.
Und mit Geld wird er auch nicht knauserig sein, wenn es notwendig
sein sollte, da können Sie ganz sicher sein. Im übrigen hat
sie eine Leibrente von dreitausend Kronen bekommen, als ich die Fabrik
verkauft habe.
Davon und von der Altersrente lebt sie gut und bei mir wohnt sie natürlich
mietfrei. Na ja, als ich aufgebrochen bin, habe ich alles Fräulein
Lindberg erzählt mit dem Hintergedanken, sie werde ihrem Bruder vielleicht
gut zureden. Aber sie ist richtig böse geworden und hat gesagt, ich
müsse ihr versprechen, ihn nicht aufzuregen, indem ich abermals solche
Dinge zur Sprache bringe. Und über mich brauchen Sie sich nicht
den Kopf zu zerbrechen, Herrn Lindencrona, ich werde ganz bestimmt vor
Adolf dahingehen. Und sollte es anders kommen, dann weiß ich, wo
mein Platz ist. In Ädelstas Altersheim. Ich habe protestiert,
aber da hat sie mir die Hand auf den Arm gelegt und etwas gesagt, über
das ich oft nachgedacht habe, vor allem heute: Lieber Herr Lindencrona,
ich kenne die Menschen. Glauben Sie mir, mein Bruder liegt noch nicht
einmal unter der Erde und da verkauft Ejnar schon das Haus und bringt
mich ins Altersheim. Heute Mittag
"
Anwalt Lindencrona ordnete abermals seine Stifte. Bei der Wahl, zu reden
oder zu schweigen, verfiel er auf einen schönen Kompromiß und
wahrte die anwaltliche Schweigepflicht, indem er die Stimme senkte.
"Heute mittag, ja, erst vor wenigen Stunden, hat mir Herr Bankdirektor
Lindberg hier gegenübergesessen. Er war äußerst angespannt,
mußte wegen wichtiger Besprechungen am morgigen Tag zurück
nach Stockholm. Im Vorfeld wollte
er darum so viele geschäftliche Angelegenheiten wie möglich
hier in Ädelsta erledigen. Er wollte wissen, wieviel sein Vater hinterlassen
habe, und hat eine Aufstellung über Aktiva verlangt und dann gefragt,
ob seine Tante Kündigungsschutz genieße. Ich habe ihm erzählt,
wie die Dinge stehen, daß sie in diesem Punkt nicht vom Mietgesetz
geschützt werde und daß er als Alleinerbe die Verfügungsgewalt
über das Grundstück besitze. Und dann, meine Herren, hat er
verlangt, ich solle das Haus sofort zum Verkauf anbieten!"
Danke an den Stegemann Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis. |