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Der
Autor Leif GW Persson |
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Lit Cologne: Der Schwede Leif GW Persson liest im Kölner Polizeipräsidium:
Facettenreicher Charakter schreibt Kultkrimis - wenn er Lust hat.
"Bäckström war klein, fett und primitiv,
Wiijnbladh dagegen klein, schmal und pingelig, weshalb sie einander
wunderbar ergänzten. Sie arbeiteten auch gern zusammen. Bäckström
hielt Wiijnbladh für einen feigen Halbschwulen, bei dem man nicht
einmal laut zu werden brauchte, er gehorchte auch so aufs Wort, während
Wiijnbladh Bäckström als geistig zurückgebliebenen Choleriker
betrachtete, mit dem man wunderbar zusammenarbeiten konnte, wenn man
selber die Lage im Griff hatte. Da sie beide durch und durch inkompetent
waren, kam es auch nicht zu Auseinandersetzungen aus sachlichen oder
anderen professionellen Gründen, kurz und gut, sie waren das reinste
Traumpaar."
Die bunte Welt der Polizei-Werbefotos im Saal des neuen Polizeipräsidiums
in Köln Kalk bildete einen hübschen Kontrast zu solch vernichtender
Beschreibungen auftretender Polizisten. Schauspieler Peter Kremer las
mit "polizeilicher" Stimme des TV-Kommissars "Siska"
die deutschen Texte. Eine gute Stunde dauert die Lesung aus Leif GW
Perssons Roman "Zwischen der Sehnsucht des Sommers und der Kälte
des Winters". Simultan wurde die Lesung in Gebärdensprache
übersetzt.
Mittelpunkt der Veranstaltung ist naturgemäß der Autor. Auf
den ersten Blick ein untersetzter Großvater um die 60, der in
seiner betonten Lässigkeit fast träge wirkt. "Tja",
sagt Persson zu Beginn, er könne nicht besonders gut Deutsch sprechen,
und er könne auch nicht so gut schwedisch lesen, aber er sei halt
ein normaler, netter Mann und hätte deshalb zugesagt, als man ihn
gefragt habe, ob er kommen könne. Dann sitzt er da, schaut ins
Publikum, und fragt Peter Kremer: "Was machen wir jetzt?"
Buchtipp |
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Persson spricht gut deutsch und liest unterhaltsam. Der gemütliche
Opi entpuppt sich als Inszenierung, statt dessen lernen die Zuhörer
im Verlauf des Abends einen facettenreichen Charakter kennen. Ein Selbstdarsteller,
viel medienerfahren und -affiner als er zu sein vorgibt, aber voll trockenem
Humor und mit sympathischer Selbstironie. In Nebensätzen und Andeutungen
zwischen den Textblöcken erhalten wir Einblick in eine bewegte
Biographie: Persson ist nicht nur Romanautor und Professor für
forensischer Kriminologie. Mit seinem Freund Jan Gulliou hat er eine
Fernsehserie gedreht und ein Macho-Buch geschrieben "das Männern
in der heutigen Zeit beim Überleben hilft". In den Siebzigern
war er als Berater des Landespolizeichefs auch Lieblingskriminologe
der schwedischen Medien. Später wurde er im Sog einer Prostitutions-Affäre
um den Justizminister aus seinen staatlichen Ämtern entfernt, zog
sich in die Jagdhütte aus der Fernsehserie zurück und schrieb
seinen ersten Roman, eine Abrechnung mit dem politischen Apparat. Der
Thriller avancierte zum Bestseller, zwei weitere Romane folgten, dann
wurde Persson im Justizministerium wieder eingestellt. Die folgenden
20 Jahre ohne Roman lässt er aber nicht als schöpferische
Untätigkeit durchgehen: Er habe keine Pause gemacht sondern "massenhaft"
Bücher geschrieben- Fachbücher allerdings, die keiner lesen
wolle. Nicht einmal seine Mutter klagt er, habe seine Fachbücher
gelesen. Das sei wirklich eine traurige Geschichte. Aber im Ernst, erläutert
er anschließend: Romane solle man nur schreiben, wenn man Lust
hat zu schreiben. Sonst nicht. Wenn man keine Lust hat zu schreiben,
solle man Fachbücher machen oder Kochbücher. Was er dann auch
getan hat, ebenso wie eine Reihe von Drehbüchern für TV-Krimis.
Längst führt die vorgelesene Geschichte
um den vermeintlichen Selbstmord eines amerikanischen Journalisten (als
Einstieg zu einem gesellschaftskritischen Politthriller) ein Schattendasein
an der Seite ihres Schöpfers - auch wenn der immer wieder schmunzelnd
betont, es handle sich um "exzellente Unterhaltung auf 700 Seiten."
Das macht nichts, denn die Geschichte werden die meisten Besucher am
Ende des Abends sowieso handsigniert mit nach Hause nehmen. Lieber noch
etwas Lebensgeschichte vom Autor aufschnappen.
Zur Polizeiarbeit, erzählt Persson, habe ihn eigentlich die Literatur
gebracht: Als Kind las er "Emil und die Detektive" im deutschen
Original. Kästners Emil wurde zu seinem Vorbild. Den "wirklichen"
Leif Persson bekommen wir an diesem Abend relativ selten zu Gesicht.
In fast allen Antworten steckt ein Augenzwinkern. Auf die unvermeidliche
Frage nach der schwedischen Krimiautoren-Szene erzählt er, alle
berühmten Krimi-Autoren säßen in Schweden zusammen an
einem Tisch und freuten sich über das viele Geld, das mit schwedischen
Krimis verdient werde - vor allem in Deutschland. Nur eine einzige Zuschauerfrage
dringt durch die Fassade seiner ironischen Understatements: Welche Motivation
er gehabt habe, heute noch ein Buch über den Palme Mord zu schreiben?
Diese Frage, das spüren die Zuschauer rührt an einer offenen
Wunde . Er habe Olof Palme gekannt, sagt Leif Persson. Es sei sehr traurig,
dass sein Mord nicht aufgeklärt wurde. Manchmal müsse man
Lügen, um die Wahrheit ans Licht zu bringen, sagt er. Deshalb könne
ein Roman ein Schritt zur Wahrheit sein.
Seine sonstige Motivation: "Es ist schön, wenn die Leute die
Geschichte mögen". Und Geld? Spielt beim Schreiben für
ihn keine Rolle, kann Millionär Leif Persson glaubhaft versichern.
Ob eine Geschichte gut ist, testet er am liebsten an sich selbst: Wenn
er einen Roman geschrieben habe, lasse er ihn ein paar Monate liegen
und läse ihn dann das erste mal selbst. "Wenn ich dann denke:
Das gefällt mir. So ein Buch wollte ich gerne kaufen. Dann ist
es gut."
Autorin: Daniela Kleiböhmer
© März 2005 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur
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